#cbg17 : Pilot #08 touchdown, Auftrag ausgeführt. Over and out.

Es folgt die Fortsetzung des Berichts über den Flug des Candypiloten #8 von Frankfurt a.M nach Berlin, im ehemaligen Flugkorridor der Rosinenbomber. Was bisher geschah: Die Vorbereitungen für den Flug (grundsolide Betankung am Terminal 4) wurden abgeschlossen, Pünktlicher Start am 28. April am Luftbrückendenkmal in Frankfurt. Überplanmäßiger Flug von ca. 110km bis zum ersten Stop im Spessart. Erstes Frühstück beim Bäcker auf dem Lande.
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Frühstück hinter Glas = Warm. Dieter und Lutz

Der Spessart ist schön! Tolle Wege, Mischwald, alles irgendwie sehr unterhaltsam. Erinnerungen an meine Befahrung des Eselsweges werden wach und damit auch das coole Wegenetz der Spessart-Biker 🙂 hm, die steilen Anstiege hatte ich irgendwie verdrängt. Naja, vielleicht waren die damals aber auch gar nicht so steil, denn das Gepäck war ja etwas leichter. Der Blick auf’s GPS lässt die Stirn jedenfalls tiefe Runzeln schlagen, denn es gibt einfach kein richtiges Vorankommen. Es ist schon krass, was da einige der Piloten für ein Tempo anschlagen. Während wir uns hier mitten im Spessart austoben, ist die Spitze schon im flachen Land, hat den Hainich hinter sich gelassen und schmettert durch Sachsen-Anhalt, dem Land der Frühaufsteher (so stand es jedenfalls mal auf einem Autobahnschild geschrieben). Auch wir nutzen also ab und an den Service von Trackleaders um einen Überblick des Feldes zu bekommen.

Der Spessart liegt hinter und die Rhön vor uns

Der Track führt an so lustig klingenden Orten wie „Linsengericht“ oder „Eidengesäss“ vorbei, in stetem auf und ab. Längst überfällig ist, die Piloten in meiner Nähe vorzustellen, denn ihre Gesellschaft ist auf der Tour eine große Bereicherung. Klar, es heißt Selbstversorgertour und jeder ist natürlich für sich allein verantwortlich. Daran ändert sich auch nichts, selbst wenn man sich unterwegs zu einem Grüppchen findet. Denn wir sind alle so ausgerüstet, vollkommen autark durch die Lande fahren zu können. Mit Walter und Thomas habe ich zwei bekannte Gesichter und sehr erfahrene Bikepacker neben mir. Wir kennen uns bereits durch andere Unternehmungen in ähnlichem Stil. Dann sind da noch Uwe, Lutz, Jochen, Dieter, Andreas und Jolanta, eine der beiden gestarteten Frauen. Sie beeindruckt mich vom ersten Moment an auf ihrem Bike, mit welcher Leichtigkeit sie dieses durchs Gelände steuert. Kein Wunder, denn später erfahre ich einiges über ihre sportliche Laufbahn. Die Abstände zwischen uns variieren immer mal wieder und werden bestimmt vom jeweils eigenen Rhythmus.  Im Laufe des Tages lässt sich Andreas zurückfallen. Ihm ist das Tempo, besonders in den Anstiegen einfach zu hoch. Einmal schließt er bei einer längeren Pause noch auf uns auf, danach verlieren wir uns aus den Augen. Schade, Andreas fährt das gleiche Sequoia wie ich und wir plauderten ab und an über technische Details. Via Facebook habe ich erfahren, dass Andreas einen Tag später leider komplett aussteigen musste.
Unser Plan war, bis spätestens Mittag in Fulda zu sein, um dort etwas zu Essen. Das Vorhaben müssen wir allerdings gegen 13 Uhr über den Haufen werfen, denn wir sind zu spät dran. Also entern wir einen Supermarkt in Neuhof und verköstigen uns erstmal ausgiebigst. Der Unterstand für Einkaufswagen bietet etwas Schutz vor dem eisigen Wind, der uns trotz Sonnenschein um die Ohren weht. Es sind die Ausläufer der Rhön, die hier inzwischen zu uns herüber lächeln (und wo der Schnee noch nicht allzu lange geschmolzen ist). Der GPS-Track beschert uns eine hübsche Stadtrundfahrt durch Fulda. Landschaftlich wird auch in der Rhön wieder alles geboten, was das Radfahrerherz höher schlagen lässt. Einzig das Tempo wird durch sägezahn ähnliches Profil mächtig gedrückt. Manchmal fühle ich mich wie eine Schnecke auf dem Weg nach Holland, so unglaublich weit weg wirkt das Ziel in Berlin. Inzwischen ist später Samstagnachmittag und wir halten Ausschau nach einer Möglichkeit zur Verproviantierung. Zwei Anläufe in Gastwirtschaften schlagen fehl. Eine Tankstelle ist weit und breit nicht in Sicht. Jetzt wird es zäh, nicht nur die Beine werden müde, auch der Hunger wird immer größer. Wir beratschlagen die Möglichkeit, einfach bis Phillipstal zu rollen. Der Ort sollte groß genug sein, damit auch am Samstagabend noch irgend etwas mit Essbarem geöffnet hat. Unsere Erlösung finden wir aber etwas früher und völlig unverhofft in Pferdsdorf. Einem kleinen Ort an der Ulster, mit gigantischem Walpurgisnacht-Feuer. An diesen Feuern gibt es auch immer Verpflegung. Und die nicht zu knapp 🙂 Nach dem dritten Bier (ja, stimmt, ziemlich unvorsichtig) keimt die Idee, vielleicht das Feuerwehrzelt für die Nacht zu erobern. Während Walter sich mit einem Ureinwohner ein heißes Witzegefecht liefert, versucht Dieter den Haptfeuerwehrmann, oder Löschmeister von unserer Absicht zu überzeugen. Was soll ich sagen, der Widerstand ist schnell gebrochen und wir können einziehen. Sehr cool, wir können sogar im Zelt eine Kabeltrommel mit Strom anzapfen. Strom ist auf der Tour etwas sehr, sehr wertvolles, wenn man keinen Dynamo im Vorderrad hat, oder sonstwie seinen Energiebedarf nicht selbst decken kann. Diese Nacht wird nicht zuletzt wegen der unmittelbaren Nähe zum Fluss, die Kälteste. Etwa 130 Kilometer haben wir heute geschafft, das Navi zeigt außerdem 2.200 Höhenmeter an.

Am frühen Morgen ist alles mit Raureif überzogen und wir freuen uns über den ersten Anstieg in Richtung Philippsthal. Dabei wird’s einem ordentlich warm. Weitere 15 Kilometer später ist die Ortsmitte und eine Bäckerei erreicht. Ab 7Uhr Geöffnet, wunderbar. Inzwischen fast Gewohnheit: In kürzester Zeit ALLES erledigen. Morgentoilette, Frühstücken, Wasser nachtanken, Proviant für den Tag auffrischen. Mit unsere Gruppengröße nicht ganz einfach! Aber lustig. Ab Philippsthal rolle ich größtenteils durch bekanntes Revier, mal etwas dichter an der Werra, mal mehr im Land. Wir passieren Hörschel, das ist der Ort, in dem der Rennsteig beginnt. Zwischen einzelnen Hügeln lässt sich immer wieder gut Strecke machen. Heute ist es Lutz, der uns in der Nähe von Eisenach überraschend verlassen muss. Anscheinend hat er seinen Infekt kurz vor dem Start in Frankfurt doch noch nicht richtig auskuriert.
An Lutz: falls du hier mal die Zeilen liest: Hoffentlich hast du inzwischen alles gut überstanden und bist wieder fit, viele Grüße an dieser Stelle!
Unsere letzte ernsthafte „Hürde“ bildet der Naturpark Hainich. Auf den habe ich mich, weil viel drüber gelesen, schon richtig gefreut. Hier hätte ich gerne eine Übernachtung eingelegt, aber leider passt das zeitlich so gar nicht in den Plan. Dafür gibt es ein ausgiebiges Mittagsmal in der Hainich-Baude. Hinter Bad Langensalza rollt es dann endlich ein wenig. Die (vermeintlich) schlimmsten Anstiege sind geschafft, bevor sich das platte Land vor uns ausbreitet. Es ist bereits dunkel, als wir die Unstrut und den Rand des Kyffhäusers erreichen. Gegen 22 Uhr halten wir Ausschau nach einem geeignten Übernachtungsplatz. Es ist wie immer, wenn man etwas sucht: Wirklich fündig werden wir nicht, das Navi zeigt lediglich ein Sportgelände in der Nähe an. Hier versuchen wir unser Glück und beschließen bis auf Uwe und Jolanta zu bleiben. Die Beiden suchen noch ein Stückerl weiter. Es ist nicht sonderlich schön, aber brauchbar. Wir bleiben ja auch nicht lange. Um 0 Uhr feiern wir noch kurz Dieters Geburtstag und verkriechen uns für ein paar Stunden in die Schlafsäcke. Über 160 Kilometer und noch einmal über 2100 Höhenmeter schlagen zu Buche.


Die Nacht ist kurz, der Morgen kalt. Also schnell alles zusammengepackt und rauf auf’s Rad zum warm strampeln. Dieter kennt eine Tanke, da gibt es erstmal ein ausgiebiges Frühstück. Wenig später treffen wir auf Uwe und Jolanta, die nur ein paar Kilometer weiter biwakiert haben. Jetzt heißt es erstmal Strecke machen. Berge sind keine in Sicht, dafür bläst uns jetzt der Wind aus Osten volle Kanne entgegen. Entspannend sind immer die Abschnitte in nördliche Richtung, dann gibt es wenigsten etwas Unterstützung von schräg hinten. Die Landschaft hat sich inzwischen so drastisch verändert. Kaum noch Wald, riesige Felder dafür, mangels Feldwege steht nun auch häufig Asphalt oder Kopfsteinpflaster in allen Varianten auf dem Plan. Stellenweise fühlen wir uns wie auf der Fahrt von Paris nach Rubaix. Diese unglaubliche Vielfalt der durchfahrenen Regionen verleitet tatsächlich zum Schwärmen. Die Begeisterung kann allerdings nicht ganz über das inzwischen deutlich spürbare Hinterteil hinwegtäuschen. Das Sitzfleisch ist am späten Nachmittag ziemlich verschlissen. Kleine Entspannungspausen, am besten sind die, mit komplett lang ausgestrecktem Körper, helfen über die Tiefs hinweg. Etwa 25 Nordwestlich von Halle überqueren wir die Saale und steuern direkt auf Dessau zu. Nördlich davon verzaubert uns die Elbauenlandschaft, bevor wir direkt bis an das Elbufer heranfahren. Heute ist der 1. Mai, Kind und Kegel sind auf der Strecke. Für kurze Zeit auch mal eine nette Abwechselung, die natürlich auch für die ein oder andere Schrecksekunde sorgt. Gegen 19 Uhr sind wir 160 Kilometer gefahren. Luftlinie sind es nur noch gut 70 Kilometer bis Berlin. Theoretisch ist das zu schaffen, keine Frage. Allerdings ist nun der sandige Untergrund nicht zu unterschätzen. Der bremst an manchen Stellen das Vorankommen ganz erheblich und nicht alle können sich damit anfreunden. Ein kurze Beratung führt zu dem Entschluss, heute nur bis vor die Tore von Berlin zu fahren und eine weiteres Biwak an einer Hütte einzurichten. Für Jochen ist das keine Option, weil er unbedingt noch einen guten Freund besuchen will, dem er seine Ankunft bereits mitgeteilt hat. Somit hat sich unser Grüppchen kurz vor dem Ziel auf 6 Candy-Piloten reduziert. Das Biwak bietet den großen Vorteil, Berlin am Tage zu Durchfahren und auch die Runde über das Flugfeld von Tempelhof drehen zu können. Denn dieses ist nachts für Besucher geschlossen. Gegen 23 Uhr haben wir die Schlacht gegen die „Sandlöcher“ geschlagen und die letzte Schutzhütte vor Berlin erreicht. Das GPS meldet 215 Kilometer und nochmal schlanke 1.500 Höhenmeter.


Mit dem ersten Zwitschern der Vögel, es ist gerade so hell geworden, starten wir unseren Zielanflug auf Berlin. Thomas liefert unterwegs jede Menge Hintergrundinfos zu den zahlreichen Sehenswürdigkeiten am Wegesrand. Das ist echt super interessant. Auch diese eingearbeiteten, starken Trails gehen auf sein Konto (Streckenscout) Ein dickes Dankeschön dafür! Als wir das Golden Tulip Hotel erreichen (Touchdown! um 10.05 Uhr MESZ), unseren Abwurfpunkt für das Carepaket, gibt’s erstmal Gänseschauer satt. Frau Unger, Marketing Managerin des Hauses, stürmt uns mit einer Kamera bewaffnet entgegen. Endlich seien wir da, sie hätte uns schon die ganze auf Trackleaders verfolgt und freue sich total über eine größere Gruppenankunft. OK: Foto, nein FOTOS, Carepaket abliefern, unterschreiben und schnell weiter Richtung Flugfeld und Luftbrückendenkmal. Hier treffen wir auf weitere Leute, die uns bereits erwarten. Verrückt. Unter anderem ist Dan dabei, der auf einem großen Stück des Tracks als Fotograf mit dabei war. Er hält unseren Landeanflug auf dem Flugfeld Tempelhof fest. BOAH, was für eine Moment, voll im Genießermodus cruisen wir über den geschichtsträchtigen Asphalt und genießen mit etwas Pipi in den Augen diesen Augenblick. Auf der ehemaligen Startbahn nimmt uns die steife Brise Gegenwind fast den Atem! Zum Abschluss rollen wir hinüber zum Luftbrückendenkmal. Nochmal Fotos, Umarmungen, Finisherbier, alle sind einfach happy. Ich tippe diese Zeilen mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Auch nach über einer Woche „wirkt“ der Candy in mir! 

Mit dieser Idee und der Strecke hat sich Gunnar einen Orden verdient!
Gespannt warte ich auf den #cbg18 🙂

Noch etwas Statistik zum Schluss: Meine reine Fahrzeit betrug 41 Stunden. Mit der Weiterfahrt bis zum Bahnhof zeigt mir das Navi 661 Kilometer an. Der Gesamtschnitt in Bewegung betrug 15,6 km/h. 

 

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4 Thoughts to “#cbg17 : Pilot #08 touchdown, Auftrag ausgeführt. Over and out.”

  1. Dieter Helbing

    Danke Mario für Deinen tollen Bericht es war mir eine Ehre mit Dir zusammen gefahren zu sein und hoffe wir sehen uns bald mal wieder auf einen lockeren Overnighter… ich bringe auch wieder einen Grill mit.

    CU
    Dieter

  2. Signe

    …und ich wollte eigentlich früh schlafen, war dann aber doch zu neugierig, ob die Fortsetzung schon da ist – top Leistung (Aktion an sich und Bericht wie immer ;-))
    Ich freue mich schon auf cbg18; zu mind davon zu lesen 😀

  3. Dirk

    Einfach nur toll !!
    Freu mich schon auf 2018 , dann bin ich dabei.
    Dirk

  4. Thomas

    Super Bericht. Hatte viel Spaß beim Lesen. Dankeschön.

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