Auf den Spuren der Hanseaten – #HanseGravel Teil1

Als ich das erste Mal vom #HanseGravel gelesen habe, war mir recht schnell klar, dass sich auf der eher flachen Strecke der Wind sehr schnell zum größten Gegner entwickeln kann. Und dass es sich in Küstennähe nicht ohne Sand fahren lassen würde, schoss mir quasi zeitgleich durch den Kopf. Gebannt folgte ich der roten Linie auf der Landkarte, die nur relativ vage, mit einer gewissen Unschärfe Details der Strecke preisgab. Egal, ein Start in Hamburg, das Ziel in Stettin, Polen war klar erkennbar. Ich war gefesselt und völlig wehrlos dem Gedanken einer Teilnahme verfallen. In diesem Beitrag erzähle ich vom Start und dem ersten Tag auf der Strecke.

Auf dem gegenüberliegenden Gleis fährt ein ICE ein…

Wer damals in der Schule etwas aufgepasst hat, weiß, dass sich schon im 13. Jahrhundert viele Handelsstädte zu einem Bund, der Hanse, zusammen geschlossen haben. Dieses Bündnis hatte zu jener Zeit mehrere Vorteile. So gewährte man sich gegenseitig nicht nur niedrigere Zölle beim Warenhandel, sondern unterstützte sich auch untereinander gegen die Piraterie!? Ja genau, wilde Zeiten waren das damals. Einer dieser sagenumwobenen Schurken war der Klaus Störtebeker, dessen Namen heute eine feine Braumanufaktur in Stralsund ziert und deren schwarzes Bier ich beim Tippen dieser Zeilen genieße. Noch heute existieren viele der Hansestädte, eigentlich viel mehr als ich wusste. Hamburg und Lübeck gehören wohl mit zu bekanntesten. 

Der Rene Fischer war es, der letztes Jahr, oder vielleicht auch schon früher?, die Idee aufgriff, den Spuren der damaligen Handelsleute mit dem Gravelbike zu folgen. Der Hanseatenweg spielt dabei eine wesentliche Rolle. Dieser, der ja eigentlich ein Wanderweg ist, empfiehlt sich tatsächlich als Geheimtipp für Radfahrer. Gepflegt wird er von den Naturfreunden des Regionalverbandes Nord.  Mit einer Spende an eben diesen Verein konnte ich mich für die Teilnahme am ersten #HanseGravel quasi legitimieren. Erstaunlicher Weise fand sich zunächst niemand aus meinem unmittelbaren Wirkungskreis als Mitfahrer. Es dauerte etliche Wochen, bis Hansi, als alter Weggefährte, endlich Blut leckte und doch anbiss. Natürlich wäre ich auch alleine an den Start gegangen, der Freundeskreis unter den Bikepackern ist schon relativ groß geworden. Trotzdem finde ich es immer wieder schön, Erlebnisse zu teilen und später auch wieder zu Hause darüber zu plaudern. Kurz vor dem Start hat sich dann auch Gert gemeldet, der letztes Jahr beim Candy B.Graveller mit am Start war, wir uns aber irgendwie nicht begegneten. Gert hat vor vielen Jahren in der Nähe von Kassel gewohnt und ist inzwischen im Frankfurter Raum ansässig geworden.  Am Bahnhof Wilhelmshöhe haben wir uns einen Tag vor dem Start des #HanseGravel getroffen und sind gemeinsam mit dem ICE in Richtung Hamburg gefahren.

Im Zug saßen bereits einschlägig bekannte Gesichter: Jochen aus Würzburg und Oli aus München, außerdem noch ein weiterer Oli, Irischer Herkunft und eine Dame, deren Namen ich jetzt leider nicht mehr weiß….das Fahrradabteil war jedenfalls fest in „Hanseatischer Hand“! Ein Teil von uns radelte vom Hamburger Hauptbahnhof direkt zum Treffpunkt der Tour, den Entenwerder. Ein paar hatten sich bei Freunden oder einer anderen Unterkunft einquartiert. Der Entenwerder, einst Zollstation, ist heute eine Parkanlage mit großzügigen Wiesen, die häufig als Auslauf für Hunde genutzt werden. Das am Elbufer liegende Cafe ist ein echter Geheimtipp, hier hin verirrt sich kaum ein Tourist. Wer hier her findet, ist entweder Hamburger mit fester Absicht, oder aber mit dem Navi unterwegs. Insofern war hier auch das Biwak von Mittwoch auf Donnerstag kein Problem und verlief völlig ungestört. Vom einsetzenden Regen in der Nacht mal abgesehen…

Am Donnerstag morgen hat das Kaffee für uns extra früh geöffnet. Die Sonne scheint, als wäre nichts gewesen, ab acht Uhr bleiben keine Wünsche hinsichtlich Frühstück offen. Ein echt gut gelauntes Team (und das so früh am morgen!) versorgt uns bestens.

Es wird auch schnell zusehends voller mit HanseGravellern. Gerade als ich mich frage, wie so ein riesen Pulk sich wohl durch Hamburgs Innenstadt bewegen kann, fragt mich Hansi, was ich von einem Frühstart halten würde. Genau, eigentlich hätte er es gar nicht aussprechen müssen, wir hatten den gleichen Gedanken. Der Hunger war gestillt, das „Geschäft“ erledigt, Rene kurz verabschiedet. Also rauf aufs Rad. Gert hat wohl den gleichen Gedanken und schließt sich uns an. Wir rollen mitten durch Hamburgs City, erstaunlich, wie schnell das auf zwei Rädern funktioniert. Schneller als erwartet ist die die Binnenalster erreicht und wir folgen dem Lauf der Alster in Richtung Norden. Prächtige Villen säumen den Weg und sorgen für Abwechselung. Der Radweg macht Spaß, führt durch viel grün und nach etwa 20 Kilometern wird es auch einsamer. Mir fällt auf, dass kaum ein Hamburger Bürger ohne Hund unterwegs ist. Das nervt irgendwann zunehmend, weil längst nicht jeder sein Tier unter Kontrolle hat und andere es einfach nicht juckt, wenn Radfahrer auftauchen. Zwei Stunden nach Aufbruch macht sich bei mir schon wieder Hunger bemerkbar. Zufällig treffen wir auf eine große Schutzhütte, die wir auch gleich für den Pausensnack nutzen. Wir kommen ganz gut voran, der Weg macht einfach Spaß und bietet viel Natur. Nach etwa 60 Kilometern erreichen wir Bad Oldesloe und legen eine kurze Pause für Kaffee und Brötchen ein. Einkaufen ist nicht notwendig, nach weiteren 20 Kilometern sind wir in Lübeck. Durch die Innenstadt kommen wir nicht direkt, traurig bin ich deswegen aber nicht. Es ist früher Nachmittag und ordentlich Betrieb auf den Straßen. Wir haben keine Lust auf Rummel. Um kurz nach 15 Uhr beladen wir den Anhänger eines Bustransfers für den Herrentunnel, auf den ich schon so neugierig war. Hier wird die Trave unterfahren, was allerdings weder für Fussgänger noch für Radfahrer erlaubt ist. Nur für Pkw und Fernverkehr. Im Vorfeld der Tour gab es bei Facebook Befürchtungen, dass sich hier die Fahrer stauen würden und eventuell längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen seien. Davon bestätigt sich absolut nichts. Als wir am Bus ankommen, ist ein Bike schon auf dem Hänger, nach keinen zehn Minuten sind die sieben Plätze belegt und wir starten die Tunnelpassage, die im übrigen auch noch kostenlos ist. Die Fahrt dauert kaum fünf Minuten, da können wir schon wieder abladen und weiter unseres Weges ziehen, dem nächsten Transfer entgegen. Denn 13 Kilometer später queren wir in Travemünde den Fluss ein weiteres Mal, um nach Priwall überzusetzen.

Die Grenzsteintrophy lässt grüßen, die hier entweder startet oder endet, je nach Fahrtrichtung. Am Ende der Ferienhaussiedlung wird die ehemalige Deutsch-Deutsche Grenze überquert. Im Fährhaus Pesel gönnen wir uns erstmal ein dickes Fischbrötchen samt Radler, oder Alsterwasser, wie das hier oben heißt 🙂 Nach der Erfahrung unserer eigenen Grenzsteintrophy in 2012 (da war ich auch mit Hansi unterwegs) habe ich noch in Erinnerung, dass nach dem Hafen erstmal eine ganze Weile viel Landschaft, ohne Möglichkeit zur Einkehr oder Einkauf folgt. Daran hat sich immer noch nichts geändert. Erst in Grevesmühlen, wo wir gegen 19Uhr einrollen, ergibt sich die Möglichkeit für Nachschub zu sorgen. Hier verabschiedet sich für heute Gert von uns. Bis hierher hatte er sich sein Etappenziel gesteckt und wollte sich nach einer Unterkunft umschauen. OK, wir wollen weiter, Wismar war für uns die Wegmarke, die wir mindestens erreichen wollten, um Sonntag in Stettin anzukommen. Bei Fliemstorf erreichen wir die Ostseeküste. Es ist bereits kurz nach 20 Uhr, die Sonne ist schon hinter dem Horizont verschwunden und in der Dämmerung können wir den Hafen von Wismar erkennen. Der Track führt uns direkt an der Küste entlang, der Sand ist stellenweise ganz schön weich und sorgt dafür, dass wir erst eine Dreiviertel Stunde nach dem ersten Sichten, die Innenstadt von Wismar erreichen. Hier gönnen wir uns ein ausgiebiges Abendessen. Eigentlich wollten wir dazu ein Störtebeker trinken, bekommen allerdings Lübzer Pils gereicht. Auch OK, Hauptsache es kommt aus einer ansässigen Brauerei 🙂 Es ist schon halb zehn, als wir unserer Fahrt fortsetzen, um ein Nachtlager zu finden.

Die Abendstimmung ist wunderschön, noch ein allerletzter Schimmer am Horizont, dann herrscht vollkommene Dunkelheit. Wismar liegt hinter uns. Noch bevor wir das Örtchen Redentin erreichen, kommen wir an einer Art Pavillon vorbei, den wir kurzerhand als Nachtquartier erobern. Super, wir benötigen dadurch weder Zelt noch Biwaksack und verschwinden ziemlich schnell in unseren Schlafsäcken. Drei, vier weitere Hansegraveller passieren unser Nachtlager noch, dann bekomme ich nichts mehr mit…..Gute Nacht 🙂 

Teil 2 über den HanseGraveler erscheint in Kürze 😉 

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10 Thoughts to “Auf den Spuren der Hanseaten – #HanseGravel Teil1”

  1. Hallo Mario, endlich kann auch ich mich nochmal richtig in Deine Berichte vertiefen – zumindest bis Stralsund, für den Rest der Strecke will ich mir die Spannung erhalten. Danke für die nette Erwähnung in Teil 2! 🙂
    An Eurem Pavillon der zweiten Nacht sind Joas und ich in spät vorbeigekommen, ich hoffe, wir haben nicht gestört. Wir waren ja ein wenig neidisch, das sah so gemütlich aus.
    Und danke auch wieder mal für die tollen Fotos! Geben einen sehr schönen Eindruck von der Stecke. Schönen Urlaub Dir (ich hoffe, er dauert noch an) und bis nächstes Mal!

  2. Bettina

    Hallo Mario, die unbekannte Dame aus dem Zug meldet sich hiermit – habe es endlich geschafft, deinen Blog zu lesen! Würde mich über die Fotos aus dem Zug freuen (direkten Download habe ich nicht hinbekommen). Hat riesig Spaß gemacht mit euch allen und ich zerbreche mir gerade den Kopf, was als nächstes kommt…

    1. Mario Schön

      Hallo Bettina, du jetzt Bekannte aus dem Zug 😄👍🏼 bin gerade im Urlaub und habe nur sehr selten Zugriff auf das Internet. Sobald ich zurück bin, melde ich mich bei dir wegen der Bilder. Sende mir einfach deine Mailadresse, du bekommst dann einen Link zum Download.
      Liebe Grüße
      Mario

  3. Ich finde mich (im Pony Riders Trikot) auf einigen Bildern wieder. Wir haben wohl auch gemeinsam den Bus und die Fähre genommen. Ich hänge noch ein bisschen hinterher mit meinen Berichten aber spätestens zum Wochenende wirds was werden.
    Immer wieder toll die Tour auch aus der Sicht der Anderen wahrzunehmen.
    Viele Grüße aus Duisburg,
    Markus

    1. Mario Schön

      Hi Markus, stimmt, ich kann mich an dich erinnern. Wir saßen zusammen in dem Bus und benutzten auch gleichzeitig die Fähre. Wir sind nach der Überfahrt erstmal etwas Essen gegangen, deshalb haben wir uns sehr schnell wieder aus den Augen verloren.
      Freue mich auch immer, Artikel von anderen Mitfahrern zu Lesen, um deren Sicht auf die Dinge zu erfahren! Sehe gespannt deinem Bericht entgegen 🙂
      Viele Grüße
      Mario

  4. Signe

    So, Teil 1 ist gelesen…wie immer sehr unterhaltsam. Mal sehen, ob ich heute Abend noch zu Teil 2 schaffe…meine Kita-Urlaubszeit neigt sich dem Ende zu = nichts mehr mit Blog beim Käffchen bei Starbucks lesen ;-). Aber es freut mich, dass ihr so eine tolle Zeit/Tour hattet. Und die Strecke in drei Tagen – top!!!!

  5. Harald

    Moin Mario,
    das ist einer feiner Bericht, ich freue mich auf die kommenden Teile! Und wunderbare Fotos hast du mitgebracht. Wer nicht dabei war, wird spätestens nach dem Ansehen den Hansegravel fahren wollen. 🙂
    In einem muss ich dich berichtigen: Die Fährfahrt über die Trave geht nicht über die ehemalige Grenze. Die lag ein klein wenig weiter östlich. Das Ferienhausgebiet (Priwall), durch das wir gefahren sind, gehört (und gehörte) zu Travemünde.

    1. Mario Schön

      Moin Harald, vielen Dank des Lobes und den Hinweis bezüglich des Grenzverlaufes. Dat war mir echt nicht klar, und ich hab auch vorher gar nicht recherchiert. Werd‘ ich gleich mal korrigieren.
      Wäre ich doch schon mal die #GST mitgefahren, dann hätte ich’s gewusst 😉

  6. Super geschrieben, Mario – bin schon gespannt, wie’s weitergeht.

    1. Mario Schön

      Danke Jochen! Leider habe ich noch keine einzige Zeile bei dir gelesen, du kennst das ja: Möglichst keine Beeinflussung auf die eigene Wahrnehmung 😄 freue mich auch schon deinen und den Bericht des Radelmädchens endlich mal zu Lesen 😃

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