#BPKSB Bikepackingtour Kassel-Berlin

Es ist Mittwochnachmittag, Feierabendstimmung und Vorfreude auf ein langes Wochenende. Der Dresscode ist von „Büro“ auf „Bike“ gewechselt. Mein gepacktes Gravelbike steht im Garten startbereit für ein kleines Bikepacking-Abenteuer. Gleich kommen Hansi und Dirk um die Ecke und dann starten wir gemeinsam unserem Ziel Berlin entgegen.

Da sind meine Begleiter auch schon und wir stehen bereits auf dem Dach unserer Tour, dem Umschwang


Die Idee für die Tour ist nicht ganz neu. Sie entstand nach unserer missglückten Kassel-Leipzig Tour 2018. Damals haben wir leider ein DNF (did not finished) vermelden müssen. Ein plötzlicher Wintereinbruch hatte uns bei Roßla zum Abbruch unseres Vorhabens gezwungen. Die neue Idee sah eine Verschneidung dieses Leipzig-Tracks mit dem des Candy B-Gravellers vor. In der Nähe von Sangerhausen liegt der Schnittpunkt beider Tracks. Unser Tourentermin heuer passt prima, denn am 24. Juni 1942 begann die Blockade Berlins durch die Sowjetische Besatzungsmacht und war quasi das Startsignal für die Luftbrücke zur Rettung der Stadt.

Wer nur Interesse an ein paar Eckdaten der Strecke hat, dem wird der Touren-Steckbrief reichen:

Start am 19.06.19 um 17:15; Niestetal – Worbis; 76km, 1.000 Hm.
Pause in Heilbad Heiligenstadt; Lager oberhalb Worbis auf dem Klien. Klasse Talblick!

20.06.19: Worbis – Dessau; 180km, 1.100Hm
Frühstück in Nordhausen; Mittagessen im Pflegeheim Bayernaumburg :);
Lager auf dem Campingplatz am Kühnauer See; Gewittriger Abend, der sich etwas länger ausdehnte….

21.06.19: Dessau – Potsdam; 121km, 680 Hm
Frühstück auf dem Campingplatz; Mittagrast in Bad Belzig;
Verproviantierung in Michendorf für den Spot am Waldsee bei Potsdam; Unterwegs „Cube“ getroffen.

22.06.19: Potsdam – Köpenick; 86km, 560 Hm
Potsdam angeschaut, Kaffee getrunken und gechillt; Filmpark Babelsberg, Wannsee, Park Babelsberg, Fahrradstation Potsdam; Scheunenviertel: Rapha-Shop; Luftbrückendenkmal Tempelhof; Schloßplatzbrauerei Köpenick (sehr cool!); Biwak in der Köpenicker Heide/Müggelsee

23.06.19 Berlin – Heiligenrode; 40km, 70 Hm
Vom Müggelsee zum Kaffee „Nah am Wasser“ in Alt-Treptow/Neukölln, dann weiter zum Hauptbahnhof; Um 11:15 mit Regionalzügen zurück nach Kassel. Ein echtes Abenteuer! In Leinefelde eine Stunde Zwangspause, weil Anschlusszug total überfüllt war und wir nicht mehr rein passten.

Nachfolgend etwas ausführlicher, was wir unterwegs erlebt haben:

Tag1: Bevor wir loslegen, gibt’s in unserem Garten erst noch ein alkfreies isotonisches Bier. Kurz nach 17 Uhr treten wir in Richtung Osten in die Pedalen. Die Sonne steht zwar schon tief am Himmel, entfaltet aber immer noch eine unglaubliche Kraft. So sind wir froh, den Umschwang auf 460 Meter Höhe, gleichzeitig auch höchster Punkt unserer gesamten Tour, zu großen Teilen unter dem Schutz der Bäume zu erreichen. Straßen versuchen wir so weit es geht zu meiden.

In Witzenhausen erreichen wir das Ufer der Werra, ein Bad verkneifen wir uns. Dafür ist es noch früh. Unser grob gestecktes Ziel ist Heilbad-Heiligenstadt, denn hier finden wir sicher noch eine Möglichkeit zum Abendessen. Unsere Laune ist blendend, der Himmel zieht sich aber allmählich über uns zu. Linksseitig verfolgt uns bereits eine dunkle Gewitterzelle. Als wir den Leineradweg erreichen, sind plötzlich alle Wege klatschnass. Später erfahren wir, dass es einen heftigen Gewitterschauer mit Hagelschlag gab. Obwohl wir davon gar nichts abbekommen haben, sind wir ziemlich feucht. Die Haut klebt, die Klamotten sind irgendwie total klamm. Anscheinend ist die Luftfeuchtigkeit noch sehr hoch. Wir finden im Stadtkern von Heiligenstadt ein geöffnetes Gasthaus und machen erstmal Pause. Im „Sankt Martin“ werden wir kulinarisch sehr verwöhnt, auch wenn man uns draußen zunächst keinen Platz anbieten wollte. Vor der Tür haben wir aber unsere Räder besser im Blick. Etwas über 50 Kilometer haben wir geschafft, ein paar mehr dürfen es ruhig noch werden. Als wir aufbrechen, ist die Sonne längst unter gegangen und die Dämmerung setzt ein. Eigentlich wollte ich ja noch im Hellen das Zelt aufbauen, ein Übernachtungsspot ist aber nicht in Sicht. Kurz vor Worbis /Leinefelde werden wir schließlich fündig. Ein kleines Kiefernwäldchen bietet etwas Sichtschutz und offeriert uns einen genialen Talblick auf Worbis. Nachdem die Zelte aufgebaut sind, verfolgen wir mehrere Gewitter in der Ferne, ohne eines selbst abzubekommen.

Tag 2: In der Nacht setzt zwar Regen ein, der ist am frühen Morgen aber schon durchgezogen. Trotzdem ist erstmal alles klatschnass beim Einpacken. Wir werfen die Kocher an und gönnen uns den ersten Kaffee des Tages. Worbis scheint am Fronleichnamstag morgens um acht noch zu schlafen. Alles hier wirkt wie ausgestorben. Auf dem Weg nach Nordhausen überqueren wir anscheinend die Landesgrenze von Thüringen nach Sachsen-Anhalt. Denn die eben noch genossene Ruhe ist urplötzlich vorbei. Geschäfte sind geöffnet, die Müllabfuhr unterwegs, Bauarbeiten an der Straße im Gange. Als Radfahrer sind wir nicht nur auf den Kreisstraßen, sondern auch in den Ortschaften nicht sonderlich willkommen.

Wir sind eher pure Opfer: Ein Autofahrer, der mit seinem Leib Dreiviertel des Kleinwagens ausfüllt, blökt uns mit voller Kraft und überschlagender Stimme aus der halb geöffneten Scheibe irgendetwas entgegen. Bestandteile von „Radweg“ nehme ich wahr. Alles klar, mal wieder so ein Honk, der glaubt, die Straße gehört den Autos. Ein Radweg innerorts ist hier nicht existent. Ich habe absolut keine Ahnung, was in den Köpfen dieser Menschen vor sich geht. Außerhalb der geschlossenen Ortschaften sieht die Situation besser aus. An fast allen viel befahrenen Straßen gibt es Radwege, die wir auch dankbar nutzen. In Nordhausen gönnen wir uns ein zweites Frühstück und erreichen wenig später auch den Abzweig auf den Track des Candys. Erinnerungen an 2018 werden wach. Wo waren nochmal diese verflixten Lehmwege? Haben wir die jetzt schon hinter uns, oder kommen die erst noch? Es ist auf jeden Fall immer noch erstaunlich hügelig, das hatte ich auch irgendwie verdrängt. Nach dem Hainich so dachte ich, sei alles flach 🙂 Die Kilometer ziehen sich länger als angenommen. Nur durch Zufall entdecken wir den geöffneten Dorfkrug in Freist. Mit lecker Torte und Kaffee füllen wir unsere leeren Kalorienspeicher. Angedachtes Tagesziel ist ein schönes Eckchen in der Nähe von Dessau an der Elbe. Am Abend steigt jedoch wieder die Gewitterneigung, so dass wir uns sicherheitshalber für einen kleinen Campingplatz für die Übernachtung entscheiden. Ein Sprung in den direkt angrenzenden „Kühnauer See“ ist zur Abkühlung natürlich obligatorisch.

Tag 3: Wir lassen uns am Morgen etwas Zeit, um die Zelte halbwegs trocken einpacken zu können und Frühstücken auf dem Campingplatz ausgiebig. Nach Dessau folgt ein klasse Wegstück durch das Biosphärenreservat Mittelelbe, das wir normalerweise mit Überquerung der Elbe hinter uns lassen wollen. Die beste Möglichkeit dafür bietet die Autobahnbrücke (A9), die im Moment aber wegen Bauarbeiten voll gesperrt ist. Überklettern ist unmöglich, außerdem ist ein Bautrupp bei der Arbeit. Unsere einzige Chance ohne Schwimmen die Elbe zu überqueren, bietet eine Fähre bei Coswig. Der Umweg stellt sich sogar als wegetechnisch sehr schön heraus und wäre vielleicht auch eine Option für den Candy B. Graveller in 2020? Einziger Haken ist, dass die Fähre nachts nicht verkehrt.

In Bad Belzig müssen wir Kalorien nachtanken. Die Menschen hier sind immer noch so unfreundlich und griesgrämig , wie vor einem Jahr. Scheint ein chronischer Zustand zu sein. Zwischenzeitlich hat sich Thomas, alias Cube, bei mir gemeldet. Er hat den facebook-Eintrag vom Start unserer Tour entdeckt und möchte uns ein Stück des Weges begleiten. Super, das freut uns natürlich. In Michendorf beim Edeka am Bahnhof treffen wir uns und kaufen unser Abendessen. Thomas hat auch einen für ihn neuen Übernachtungsspot vorgeschlagen, der von unserer aktuellen Position nicht mehr sehr weit entfernt ist. Ein kleiner See, mitten im Wald. Völlig ruhig und mit wenig Publikumsverkehr liegt er kurz vor Potsdam. Mit der eintretenden Dämmerung errichten wir unser Lager und genießen die Ruhe, den See, den Augenblick.

Tag 4: Samstag, heute ist Touristik angesagt. Zuerst kochen wir uns aber einen Kaffee und essen, was die Küche noch so hergibt. Nicht weit von unserem Biwakplatz entfernt treffen wir wieder auf den Candy-Track. Und der führt uns auch direkt nach Potsdam. Eine Bäckerei ist unsere erste Anlaufstation, es folgt das Holländische Viertel sowie der sehenswerte Park Babelsberg. Achja: Den Besuch der Fahrradstation darf ich nicht vergessen, in der wir auch noch einen Kaffee bekommen. Danke nochmal dafür 🙂 An der Havel chillen wir ein wenig und überlegen das weitere Programm des Tages. Für mich stehen noch zwei Punkte auf der Liste: Der Rapha-Shop im Scheunenviertel und natürlich das Luftbrückendenkmal am Tempelhofer Flugfeld. Dirk hatte sich den Besuch von Curry36 auf die Fahne geschrieben, Hansi würde für die Nacht einen Spot am Müggelsee präferieren, den wir von unserem letzten Besuch bereits kennen. Nun, genau in der Reihenfolge fahren wir die Punkte auch ab. Dank Thomas steuern wir zielsicher durch Berlins Straßen.

Der Rapha-Shop ist ein stylischer Laden, hauptsächlich für Fahrradklamotten. Außerdem gibt es dort aber auch eine große Theke mit allerhand Leckereien und Getränken, so dass ein Besuch auch dann lohnt, wenn man grad kein Trikot benötigt. Aber Vorsicht: Die Klamotten sind heiß! Am besten die Hände auf den Rücken binden….Inzwischen ist es früher Abend geworden, also Zeit für Curry36 zum Abendessen. Bevor wir Thomas verabschieden trinken wir zusammen quasi einen Scheideschoppen in der kleinsten Brauerei von Deutschland. Diesen Titel darf die Schlosslplatzbrauerei in Köpenick führen, weil hier auf nur 2m² das Bier gebraut wird. Außerdem läßt es sich im Sommer hier prima im kleinen Biergarten aushalten, eine echte Empfehlung! Mit einsetzender Dämmerung erreichen wir das Ufer des Müggelsees, gönnen uns ein erfrischendes Bad und schlagen unser Lager auf.

Tag 5: Der Sonntag steht ganz im Zeichen der Heimreise. Wir können relativ lange schlafen, denn unser Zug fährt erst um 11:15 ab dem Hauptbahnhof, von dem uns aber etwa 25 Kilometer Fahrt trennen. Unterwegs stoppen wir nochmal für ein zweites Frühstück in einem urgemütlichen Kaffee. Es trägt den lustigen Namen „Nah am Wasser“. Wohl deswegen, weil es direkt am Neuköllner Schifffahrtskanal liegt. Am Hauptbahnhof starten wir unser größtes Abenteuer, die Heimfahrt mit den Nahverkehrszügen. Dreimal Umsteigen, dann sind wir in Kassel.

Die Züge sind voll, sehr voll. Anscheinend ist mit uns die große Rückreisewelle nach dem verlängerten Wochenende unterwegs. Zweimal geht es gut, in Leinefelde passen wir in den Zug nicht mehr rein. Jetzt heißt es eine Stunde warten, die wir uns mit einem Eis versüßen. Der spätere Zug hat dann auch ausreichend Platz, so dass wir gegen 18 Uhr am Bahnhof Wilhelmshöhe ankommen.
Sehr schön und spaßig war’s! Danke für eure Begleitung Hansi, Dirk und Thomas!

Dirk hat unterwegs einmal mehr mit seinem Smartphone gefilmt und alles zu einem Video zusammen geschnitten 🙂
Den Film gibbets hier zum Anschauen:

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4 Thoughts to “#BPKSB Bikepackingtour Kassel-Berlin”

  1. Christian

    Du hattest mir ja beim MFG18 empfohlen mal Richtung Osten und Berlin zu radeln. Dein Bericht macht auf jeden Fall sehr viel Lust drauf.

    1. Mario Schön

      Der wilde Osten! Immer gerne wieder 🙂

  2. Gert

    Sehr schön, Mario! Toller Bericht!
    Ich bin letzten Sommer von Witzenhausen nach Sangerhausen, dann nach Dessau und am dritten Tag nach Potsdam gefahren 😀

    1. Mario Schön

      Hallo Gert, danke fürs Lob 🙂 Die Landschaft ist schon echt klasse in Richtung Osten. Ich schätze mal, dass unsere Strecke dann sehr ähnlich deiner war.
      Viele Grüße aus dem Niestetal 🙂

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