Die erste Nacht kurz vor den Toren von Fulda liegt hinter uns. Der weitere Flug wird von Regen geprägt und trübt die Sicht ganz erheblich. Aber für die nächsten Tage ist schon wieder Sonnenschein vorhergesagt. Wir fliegen weiter und sind zuversichtlich, unsere Carepakete noch auf der Velo (Berliner Fahrradmesse) abliefern zu können.
In der Hainichbaude ist’s seehr gemütlich, leckeres Johannisbeer-Weizen gibt es außerdem! Und eilig haben wir es jetzt auch nicht mehr, obwohl durch die nassen Klamotten allmählich die Kälte kriecht. Als wir aufbrechen und die Hüttentür öffnen, schlägt uns eine Kältewelle entgegen. Draußen können wir gar nicht so schnell zittern wie wir frieren. Nichts wie runter ins Dorf, warm duschen und alles nasse Zeug trocknen. Ein richtiges Fest 🙂 Morgens brechen wir wie neu geboren bei Dämmerung auf. Ein leckeres Frühstück holen wir uns in Bad Langensalza, der Supermarkt öffnet in der Sekunde unserer Ankunft. Der Tag wird super schön, der Wind weht leicht aus Südwest, also optimal für uns zum voran kommen. Die Kilometer spulen sich auch ganz gut ab, bis wir gewisse Feldwege erreichen, die offenbar mit einem besonders hohen Lehmanteil glänzen. Tückisch sind die, sehen zuerst aus, als wäre es fester Untergrund, doch sobald sich das Vorderrad darauf auch nur eine halbe Umdrehung weiter in Fahrtrichtung dreht, sind 5 Zentimeter Peke auf dem Reifen. Diese schiebt sich zwischen die Gabel und in kürzester Zeit ist das Rad oder noch besser, beide Räder blockiert. Voila, nichts geht mehr. Es kommen in so einem Fall die „Putzerstöckchen“ zum Einsatz, denn nur mit ihnen lässt sich einigermaßen Freigang für das Rad schaffen. Selbst beim Schieben hat der Lehm mit uns kein Erbarmen, denn es klebt nun zusätzlich noch unter den Schuhen, so dass man nach ein paar Schritten wie auf Stelzen läuft. Anfangs ist das noch lustig, aber wenn nach einer halben Stunde nur zwei Kilometer geschafft sind, weicht der Spaß allmählich dem aufziehenden Zorn. Der hilft natürlich auch nicht weiter, Geduld und emsiges Putzen mit dem Stöckchen ist das Einzige, was hilft. In Großvargula ist ein Gruppe Männer an einem Haus am arbeiten. Ich grüße freundlich und frage so nebenbei nach einem Wasserschlauch und werde umgehend bedient. Die Jungs sind anscheinend auch bei der Feuerwehr, so schnell sind 20 Meter Schlauch gekoppelt. Und weil einer der Herren das Dilemma des klebenden Lehms erkennt, holt er promt auch noch den Kärcher aus dem Keller! Wow, das ist echt super Service! Tatsächlich schafft die Bikewäsche natürlich nur bis zum nächsten Feldweg Erleichterung, aber der Blick für die Bodenverhältnisse ist nun geschärft. Wenn man rechtzeitig Lehm erkennt, besteht bedingt die Möglichkeit zum Ausweichen. Später erfahren wir, dass genau in diesen Passagen mehrere Candy-Piloten den Verlust ihres Schaltwerkes zu beklagen hatten…Das eben Erzählte soll bitte nicht als Kritik an der Strecke verstanden werden! Wenn es trocken ist, so wie letztes Jahr, sind die Wege hart wie Beton! Die Abschnitte waren aber nach dem Regen ein für mich prägendes Erlebnis, dass sich irgendwie in meine Festplatte eingebrannt hat. Es folgen superschöne Abschnitte durch kleine Canyons, deren Namen ich aber nicht kenne.
Nördlich von Eisleben passieren wir die Saale. Ein gutes Zeichen, denn der nächste Fluss wird die Elbe sein. Bevor wir diese aber erreichen, kehren wir in Köthen erstmal bei einem Italiener zum Abendessen ein. Das tut gut und gibt Kraft für den Fläming, den ich so gar nicht in guter Erinnerung habe. Pünktlich zum Sonnenuntergang stehen wir in Dessau am Elbufer. Schön ist es hier, irgendwo am Ufer ein Biwak aufschlagen hätte auch was. Aber ein paar Kilometer wollen noch gestrampelt werden. Der Radweg macht Spaß, kein Mensch außer uns ist hier noch unterwegs. Es wird Zeit, das Licht einzuschalten. Als wir direkt neben der A9 die Elbe überqueren ist es bereits stockdunkel. Jetzt folgt ein ängeres Stück durch dünn besiedeltes Gelände. Keine Gastwirtschaft, kein Supermarkt, keine Tanke, nichts. Leider haben wir in Dessau an der Tanke auch nichts mehr eingekauft und fahren nun mit dem Rest weiter, den wir noch dabei haben. Die 200 Kilometermarke haben wir geknackt, so allmählich käme ein Biwakplatz nicht ganz ungelegen. Aber wie das immer so ist, wenn man ein schönes Plätzchen sucht: Man findet nichts! Die Dörfchen sind unheimlich, menschenleer und stockdunkel! Nirgends Licht, kein Hund keine Katze, einfach nur Stille. Bald haben wir dichten Wald um uns herum. Ein Harvester hat hier gewütet, kein wirklicher Platz für ein Biwak. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir auf einer Anhöhe eine Kiefernschonung mit Lichtung. Kurzes Umschauen, dann ist klar: DAS ist ein würdiger Platz für die Nacht, schön weicher Untergrund, alles trocken, wunderbar. Mein Zelt, die Tarps von Hansi und Dirk stehen ruck zuck. Auch der Kocher wird nochmal fix angeworfen, ein Süppchen, ein Cappuccino und dann ab in den Schlafsack.
Die Nacht ist kurz, gegen sechs Uhr ist alles wieder verpackt und der Flug geht weiter. Vor Bad Belzig finden wir dann einige Shelter, die wir eigentlich in der Nacht auch noch erreicht hätten….egal. Aus dem Hotel Burg Eisenhardt, mitten im Ort werde ich auf meine Frage nach einem Frühstück ziemlich schnell abserviert und fast schon herausgeworfen. So etwas gäbe es bei ihnen nicht! Komisch, für wen war dann der Tisch im Hintergrund gedeckt? Auf diese Art behalte ich auch Bad Belzig für länger im Gedächtnis. Es wird also die im Ort befindliche Tankstelle wird zum Frühstücken auserkoren. Geht eh viel schneller, denn lange aufhalten wollen wir uns ja sowieso nicht. Auf dem Weg bis etwa Höhe Potsdam habe ich vom letzten Jahr viel, nein, sehr viel Sand in Erinnerung. Am Track habe ich in der Vorbereitung des Candy aber schon gesehen, dass hier auch einiges optimiert wurde. Das bestätigt sich in der Praxis tatsächlich, so dass wir deutlich schneller durch die Waldstücke und den Grunewald bis an die Stadtgrenze von Berlin kommen, als ich ursprünglich dachte. Ein Kompliment an den Streckenscout: Sehr gut gemacht! Am Bahnhof Grunewald fahren wir auf eine liebe Bekannte auf, Jolanta schiebt da gerade ihr Rad durch die Menschenmenge. Großes hallo und gemeinsames Weiterfahren. Bis zum Wannsee, so bereichtet sie, war sie noch in Begleitung. Ich meine es war Karl-Franz, der aber einen Abstecher zum Baden im See gemacht hat. Eine Coole Socke, der Candypilot #31! Die Stadt ist am Sonntag morgen ist voller Menschen, höchste Aufmerksamkeit ist erforderlich, den Track nicht zu verlieren, den Autos und rumlaufenden Kindern auszuweichen. Die Fahrt durch die Stadt ist echt super anstregend und wir sind froh, als das Flugfeld von Tempelhof plötzlich vor uns auftaucht. Wir drehen die Ehrenrunde und rollen dann auf der Velo in Candy-Lounge ein. Super, viele Fahrer sitzen hier, selbst Rene, der ja als erster Candyfahrer 2018 schon in den frühen Morgenstunden am Samstag hier eingerollt ist, hat es sich nicht nehmen lassen, auch am Sonntag noch einmal vorbei zu schauen, um die super Atmosphäre zu genießen. Wir liefern unser Carepaket am Stand der Arche ab und sind einfach nur glücklich: Mission erfüllt, touch down, over and out.
Ein dickes Dankeschön an Gunnar für die super Orga des Candy. Das Tracking mit einem neuen Serviceanbieter hat super funktioniert, das haben die vielen Rückmeldungen der Familie und von Freunden unterwegs bestätigt. Das Ziel mit der Velo zu verbinden und so dem Candy einen würdigen Abschluss zu verpassen, empfand ich ebenfalls als sehr gelungen! Das war schon ein großes Fest und eine geniale Stimmung in der Candy-Lounge. Ich hätte auch nicht gedacht, welches Aufsehen die bepackten Räder bei den Messebesuchern erregt haben. Viele nette Gespräche ergaben sich dadurch. Leider haben wir uns auf Grund der Zugverbindungen nach Kassel recht schnell verabschieden müssen. Nicht einmal ein Foto am Luftbrückendenkmal konnte ich aufnehmen, weil die Zeit plötzlich sehr knapp wurde. Um 18.10 Uhr sitzen wir im Regionalzug, bis Kassel müssen wir noch drei mal umsteigen…..am Ende hat das sogar sehr gut funktioniert und das Bahnpersonal hat sich sogar einmal für uns wegen Verspätung richtig eingesetzt und den Anschlusszug warten lassen! Klasse.
Zum Schluss noch ein paar Zahlen, Daten und Fakten:
Unsere Tourendaten:
Donnerstag: 10.00 -21.00 Uhr; 157km; 1830 Höhenmeter
Freitag: 06.30 – 22.00 Uhr; 149km; 2420 Höhenmeter
Samstag: 06:10 – 22:30 Uhr; 228km; 1750 Höhenmeter
Sonntag: 06:05 – 13:00 Uhr; 110km; 620 Höhenmeter
Das macht dann in Summe mit Pausen und Übernachtungen 51 Stunden.
Kein Defekt am Rad, keinen einzigen platten Reifen!
Zum Vergleich mal die Daten von Rene Fischer, dem schnellsten Candypiloten:
Donnerstag 10.00 – Freitag 03.55 Uhr; 340 Kilometer; geschätzt ca. 4800 Höhenmeter
Freitag 09.00 – Samstag 00.48 Uhr; 300 Kilometer; geschätzt ca. 2000 Höhenmeter
Das sind dann 38 Stunden und 48min!
Eine unglaublich starke Leistung! Falls du das hier liest Rene: Herzlichen Glückwunsch zu diesem Ergebnis. Echt der Hammer!
Rene hat auch einen klasse Tourenbericht geschrieben: hier der link
Übrigens hat auch die HNA zwei Artikel über den Candy veröffentlicht:
HNA am 12.4.2018 und am HNA am 19.4.2018 (eine „Bildkasten“)
Ein sehr schöner Bericht von einer sehr schönen Zeit
Ihr seid aber auch coole Socken, mittags erst mal Radler vor dem Supermarkt hat auch was, werde ich in meine zukünftigen Touren mit aufnehmen (ist ja schließlich Urlaub)
Dankeschön 🙂 Aber Radler ist doch ein standesgemäßes Getränk 😉 Aber von wegen cool: Dass du nach dem Essen erstmal ein Nickerchen im Feld einlegst (hast du das wirklich? – gefunden haben wir dich nicht) und dann am letzten Tag eine Waschung im Wannsee, so kurz vor dem Ziel, chapeau Karl-Franz, das finde ich noch viel cooler 🙂
Danke fürs mitnehmen, toller Bericht. Hab mich sehr gefreut Dich zu sehen und Dich in Berlin in Empfang zu nehmen.
Beste Grüße René
Danke für den Empfang Rene! War auch ne klasse Geste, nochmal nach Berlin zu kommen. Drei Daumen hoch 🙂
Hallo Mario, beim Lesen und Fotos Anschauen finde ich es nun doch reichlich schade, dass ich Dich und Deine lustigen Mitstreiter nicht getroffen habe. Ich hoffe, es ergibt sich in diesem Jahr noch was. Und: Ich vermisse natürlich Dein erstes Kreisgrenzschild, auch wenn es vermutlich bereits vergeben war. Bitte um Nachtrag 😉
Liebe Grüße aus Berlin!
Liebe Eva, ja das war schade, dass wir uns dieses Jahr noch nicht getroffen haben. Aber da wird sich bestimmt noch eine Gelegenheit finden, wir drei arbeiten dran 🙂 EIN Kreisschild habe ich dann tatsächlich gefunden, fotografisch gebannt, aber wie vermutet, lääängst erobert. Es war Anhalt-Bitterfeld, erobert von Franz und Franzi in 2016….ich bleib dran 🙂
Beste Grüße aus Kassel
Hi, auch Teil 2 hat super Spaß gemacht zu lesen. Wenn ihr die Strecke mal in „Mädchen“-Etappen fahren wollt und einer den Radhänger zieht, könnte ich es mir ja auch mal überlegen…eBikes sind nicht erlaubt, oder? 😉
😊danke Signe. Erlaubt ist mal grundsätzlich alles! Aber mit der Stromversorgung könnte es durchaus mal eng werden, Stichwort Fläming. Da gibt es so viel nichts….😅
Danke Mario es ist schön das zu lesen und in Gedanken auf der Strecke zu sein. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht , und mal Sehen nächstes Jahr bin ich bestimmt wieder dabei. War eine tolle Erfahrung.
Bis die Tage Dirk
Ich habe den Bericht von René gelesen. Ist er ganz einsam und ohne Empfang am Luftbrückendenkmal in Berlin angekommen?
„Einsam“ (also im Sinne von allein) ist René in Berlin bestimmt angekommen, wie es um den Empfang des Trackers stand, weiß ich nicht. Sollte aber funktioniert haben….
Super.
Dabei gewesen zu sein war schon echt klasse! Das Lesen des Berichtes macht genauso viel Freude! Mario, vielen Dank dafür!!!
Danke Hansi. Es war sehr schön, sowohl dich als auch Dirk in diesem Jahr in Begleitung zu haben.