Dem „Strom“ entlang zu den Basaltkuppen

Eine vom Naturpark-Habichtswald geführte Bikepackingtour im Nordhessischen Bergland

Schon am 9. Juli haben wir, Bijan und ich, einen „Theorie-Abend“ veranstaltet, um die Teilnehmer auf die drei Wochen später stattfindende Bikepackingtour vorzubereiten. Diese sollte dem „Strom der A7“ ein Stück durch die Kasseler Berge führen. Als Spot für die Übernachtung hatten wir eine Basaltkuppe am äußersten Rand, eigentlich sogar schon außerhalb des Naturparks, ausgesucht. Unser Plan wurde von einer kleinen Überraschung durchkreuzt…spontane Entscheidungen treffen gehört zum Alltag eines Bikepackers, nicht alles ist immer vorhersehbar. Auch das haben wir in der Theoriestunde behandelt 😉

Am Startpunkt unserer Tour, vor dem Kulturbahnhof Kassel

Keine graue Theorie

Für den theoretischen Teil diente uns als Grundlage eine Präsentation, die das Bikepacking in all seinen Facetten beschreibt. Und damit nicht alles nur theoretisch blieb, hatten wir auch jeden Menge Ausrüstung und sogar Bikes mitgebracht. Alles konnte angefasst, gegeneinander abgewogen, das ein oder andere ausprobiert werden. Sehr wichtig war uns, auf die Etikette hinzuweisen, dass wir unterwegs und im Wald grundsätzlich keine Spuren hinterlassen. Alles an Müll wird mitgenommen und an dafür vorgesehenen Stellen entsorgt.

Der Start am Kulturbahnhof Kassel

Drei Wochen später, an einem Freitagabend meldet sich Bijan bei mir: „Wie wär’s denn morgen früh mit einem leckeren Frühstück in der Kasseler Markthalle zum Start in den Tag?“ lautete sein Vorschlag. Jau, klasse Idee, das passt super. Die Location liegt tatsächlich direkt auf meinem Weg zum Startpunkt unserer Tour. Und danke nochmal für die Einladung 🙂

Um kurz nach zehn ergab das Durchzählen vor dem „Himmelsstürmer“ acht Personen. Und somit waren wir fast komplett. Unterwegs sollte Dirk gegen Mittag noch unsere Gruppe vervollständigen. Die Strecke führte zunächst mitten durch die belebte Kasseler Innenstadt, über den Königsplatz in die Unterneustadt. Etwas später entlang einer großen Ausfallstraße streng Richtung Osten, eben immer dem Strom der Menschen in ihren Autos folgend. Ab Kaufungen Papierfabrik folgten wir der A7, mehr oder weniger parallel. Wahrscheinlich werden unsere Teilnehmer sich bei der nächsten Fahrt über die Autobahn an die tollen Waldabschnitte erinnern, an denen sie sonst nur vorbei rauschen.

Eine längere Pause legten wir in Guxhagen an der Gedenkstätte Breitenau ein. Hier wusste Bijan einiges aus der Historie zu erzählen und auch Nicole, die sich beruflich mit dem Schicksal von verfolgten und umgebrachten Menschen während des Naziregimes beschäftigt, konnte uns Hintergründiges berichten. Gegenüber der Gedenkstätte befindet sich ein Supermarkt, inklusive Kaffee. Diese Gelegenheit nutzten wir dann auch gleich für unsere Verproviantierung: Abendessen und Leckereien fürs Frühstück wanderten in die Taschen oder zusätzlich mitgeführte Leichtrucksäcke. In Grifte stießen wir auf den Ederradweg, landschaftlich auch ein echtes Highlight. Kurz vor unserem Spot schauten wir an dem bedeutendsten Klettergebiet in Nordhessen vorbei, dem Scharfenstein. Dessen knapp 90 Kletter-Routen, in Schwierigkeitsstufen zwischen 1 und 9+, sind sogar in einem Kletterführer beschrieben. Außer Dirk wollte aber keiner wirklich hier irgendwo hochsteigen 🙂 Danke auf jeden Fall für’s Foto!

Von hier trennten uns nur noch 1,5km aber etwas über 100 Höhenmeter vom geplanten Spot. Bis rauf war’s schon etwas Arbeit, vor allem durch die bepackten Räder. Aber wie immer, folgte auf dem Gipfel die Belohnung. In diesem Fall ein gigantischer Blick über den südlichen Naturpark Habichtswald und den Schwalm-Eder-Kreis. Zu unserer Überraschung ist dieser Ort für ein Biwak seit kurzer Zeit allerdings nicht mehr geeignet, so dass wir uns kurzerhand nach einer Alternative umschauten, die nur etwas mehr als drei Kilometer entfernt war. Zeitlich war das überhaupt kein Problem und in der Anfahrt sorgte ein kleiner Trail für extra Fahrspaß. Nach einem Rundgang über das Gelände stand fest: Super! Besser ging für unsere Gruppengröße kaum, die Bedingungen waren ideal.

Zu unserer Überraschung erhielten wir ungewöhnlich viel Besuch: Zuerst radelt der Ortsvorsteher von Metze mit seinem Hund bei uns vorbei und schaut bei der Gelegenheit gleich mal nach dem Rechten. Unser Plausch mit ihm erwies sich als weiterer Glücksfall. Er kenne jemanden, der einen Schlüssel für die Hütte inklusive der sanitären Anlagen hätte. Cool, das wäre natürlich schon ganz schöner Luxus für uns. Sein smartphone hatte er natürlich nicht einstecken, wollte aber alles für uns versuchen. OK, am Abend kam dann niemand mehr, außer ein paar Schnecken, Mäuse und ein Reh. Allerdings ohne Schlüssel für uns 😉

Am Sonntagmorgen erwachte Bijan als erster und genoss auf einer Bank die Aussicht über die Landschaft. Wieder ein Glücksfall! Denn dadurch konnte er eine riesige Tüte, gefüllt mit frischen, noch warmen Croissants aus den Händen von Jürgen Depenbrock in Empfang nehmen. Seines Zeichens Geschäftsführer des Naturpark Habichtswald. Er freute sich, dass wir so dicht vor seiner Haustür biwackierten. WOW, eine super nette Geste. Auch dafür ein dickes Dankeschön im Namen aller Bikepacker! War das ein Fest am Morgen, nicht ein Krümel blieb übrig. Während Jürgen noch von allen außer Bijan unbemerkt blieb, kam dann plötzlich ein Herr von der freiwilligen Feuerwehr auf den Platz! Aber nicht etwa um unser Feuer zu Löschen, sondern mit dem gestern versprochenen Schlüssel. YESSSS, nun gab’s auch noch Frischwasser und ein richtiges WC. Liebe Leser, DAS ist im normalen Bikepackerleben wirklich nicht alltäglich und dann schon eher 5-Sterne-Bikepacking! Anders beschrieben nennen sich solche Momente auch schon mal „Trailmagic“, also nicht vorhersehbare Momente, die das Leben unterwegs versüßen. Aber damit nicht genug Besuch. Vielleicht ein halbe Stunde später kam ein abgehetzter Taxifahrer in unser Lager und fragte, wer von uns nach ihm gerufen hätte! Die Gesichter rundum hätte ich filmen sollen, das war echt witzig. Natürlich kam keiner von uns auf die Idee, am Morgen sich von einem Taxi abholen zu lassen. Der Herr verschwand so schnell, wie er gekommen war. Zum nächsten Auftrag. Zwischendurch begann Bijan, für die Gruppe Rührei zu bereiten. Wir hatten es tatsächlich geschafft, 16 Eier unbeschadet hier her zu bringen.

Anschließend hieß es, alles Einzupacken. Eher einer der schwierigeren Momente unterwegs. Irgendwann war aber alles Zeug in den Taschen verstaut, der Platz sauberer als vorher und wir traten die Heimreise an. Benutzten bis Grifte den Weg des Vortags und schwenkten dort auf den R1 bis Kassel ein. Kurz vor der Edermündung in die Fulda erfrischte uns noch eine ordentliche Regenschauer. Kurz aber heftig! Am Kasseler Auedamm waren wir dann schon beinah wieder trocken.

Was bleibt?

Am Samstag zeigte mein GPS inklusive Anfahrt 37 Kilometer, am Sonntag 34 Kilometer an. Also zwei relativ ausgeglichene Tage hinsichtlich der Streckenlänge. Unser erster Fahrtag war geprägt durch den Einfluss von Menschenhand. Mitten durch das Kassler Stadtleben, dann entlang der zweitlängsten, nationalen Autobahn Europas, der A7. Und dennoch war die Natur nie weit von uns entfernt, meistens waren wir mitten drin.
Der zweite Tourentag folgte zwar auch einem Strom. Aber dem Strom aus Wasser und spürbar naturnaher. Der Sonntag war also bedeutend ruhiger und entspannter zu fahren. Dafür sorgte allein schon der Untergrund des Radweges 😉 Selbst der Regen zwischendurch hat bei den sommerlichen Temperaturen gar nicht so sehr gestört (außer bei der Sicht durch die Brille). Und ehe wir uns versahen, waren wir schon wieder mitten in Kassel. Noch ein Hinweis für’s Protokoll und unsere nächste Bikepackingtour: Das Einrichten des Lagers sollten wir vor dem Start besprechen. Dazu gehört, dass ALLE Holz fürs Feuer sammeln, zerkleinern und erst danach das Lager zum Schlafen aufbauen. Wenn das steht, geht es an das Essen zubereiten 🙂

Mein Dank geht an die unterstützenden Fotografen: B.Otmischi, D.Seger, M.Dillschneider

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One Thought to “Dem „Strom“ entlang zu den Basaltkuppen”

  1. Dirk

    Danke das ich dabei seien durfte. Hat viel Spaß gemacht mal mit mehren Leuten unterwegs zu sein. Toller Bericht,
    Danke Mario.
    Dirk

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