Die Habichtswald-XL Bikepacking-Runde

Was in 2014 mal als Fatbike-Trophy startete, fand in diesem Jahr als Bikepacking Tour Habichtswaldrunde XL seine Fortsetzung. Hinter der Idee steckt Bijan – ehrenamtlicher Naturparkführer im Habichtswald – die er auf der Bike-Expo Kassel erstmals öffentlich vorgestellt hat.

Am Start war ich zum Glück in guter Gesellschaft weiterer Fatbikes


130 abwechslungsreiche Kilometer mit etwa 3000 Höhenmetern liegen vor uns, zwei Übernachtungen im Naturpark sind dafür eingeplant. Am Startpunkt, dem Pedalwerk in Baunatal, finden sich am frühen Mittwoch-Nachmittag (vor Himmelfahrt) neben den sieben Einzelstartern mit Markus (Teilnehmer der #GST !) und Sohnemann Paul auch ein Vater-Sohn Team ein. Super, wenn auch nur eines, aber derartige Paare dürfen inzwischen eher zu den Exoten gezählt werden, bei denen sowohl der Vater als auch der Sohn eine zumindest ähnliche Fitness haben.  Wo ich grad bei den Mitfahrern bin, kann ich die auch gleich mal komplett kurz vorstellen. Als da wären: Allen voran Bijan, Ideen-Spender der Tour, leidenschaftlicher Fatbiker. Petrus, mit Niederländischen Wurzeln und Fatbiker, Neueinsteiger ins Bikepacking. Olaf, Mountainbiker und Läufer aus Lohfelden, ebenfalls neu im Bereich des Bikepackings. Dirk, ein alter Hase was das Übernachten im freien betrifft und häufiger Begleiter von mir, wenn es um overnighter geht. Martin, frisch gebackener Naturparkführer aus Breuna, mit Schwerpunkt Mountainbike. Außerdem leistet uns Wolle (Wolfgang) die erste Nacht Gesellschaft, der über einen direkten Weg vom Erlenloch zum Spot aufgefahren ist und den wir erst an der Hütte treffen. Andreas, die Westerwälder Frohnatur, ist beruflich bedingt leider etwas später am Pedalwerk und folgt uns mit guten drei Stunden Abstand, aber – mehr oder weniger – GPS gesteuert.

Unser erster Übernachtungs-Spot liegt auf gut 500 Meter über dem Meeresgrund und vom Start aus als Luftlinie gemessen, in gar nicht allzu weiter Ferne vom Pedalwerk. Jedoch sind mehrere Aussichtspunkte und etliche schöne Schleifen durch den Naturpark eingearbeitet, die etwas Arbeit und eine Menge Schweiß kosten. Davon kann Andreas am Ende des ersten Tages ein Liedchen singen: Den Abstecher zum Hirtzstein lässt er auf mein Anraten von wegen seines verzögerten Starts einfach aus. Dass er dann aber aus Eigeninitiative den Schlenker im GPS-Track zu unserem Biwak auf den Dörnberg auch als unnötige Abzweigung interpretiert, ist nicht meine Schuld. Kostet ihn am Ende natürlich einiges an zusätzlichen Körnchen. Aber nicht nur ihm, sondern auch dem Suchtrupp, der sich mit Licht bewaffnet auf seine Suche macht 🙂  Der erste Touren-Tag findet in geselliger Runde nach etwa 30 Kilometern und 800 Höhenmetern sein Happyend am Lagerfeuer vor der Dörnberghütte. Was für eine traumhafte Kulisse! 

Den Wecker erledigen die Vögel mit Anbruch der Dämmerung für uns. Maaann, können die laut sein 🙂 Olaf hört das Spektakel sogar durch seine Ohrenstöpsel (und das sind immerhin die „Tannenbäume“ der Bundeswehr). Dadurch können wir aber auch ein ausgiebiges Frühstück genießen, bestehend aus verschiedensten Sorten Kaffee, Riegeln und Resten vom Vortag. Sogar Nudeln, oder Grießbrei mit Apfelstückchen finden sich in der Runde. Wolle verabschiedet sich kurz vor unserer Abfahrt wieder, um persönlichen Verpflichtungen nach zu kommen. Der höchste Touren-Punkt des heutigen Himmelfahrttages ist der große Schreckenberg, auf dessen Gipfel ein Turm steht. Weil es so steil dort rauf geht, parken wir die Bikes ein paar Meter tiefer und legen den Rest des Weges einfach zu Fuß zurück. Als Biker eher ungewöhnlich, geht aber auch mal und der Ausblick ist die Müh allemal wert. Auf unserem weiteren Weg an den Südrand des Habichtswaldes verabschieden wir Dirk, der am Freitag leider arbeiten muss. Von wegen des Feiertages wird es unterwegs mit Verpflegung tatsächlich etwas schwierig. Zum Glück kennt Martin in Breuna jemanden, der vor seiner Werkstatt eine kleine „Zwischen-Verpflegung“ für Vatertags-Wanderer aufgebaut hat. Lustig ist das hier, sogar Einheimische kommen mit der Tupperschüssel und holen sich die Currywurst mit selbst gemachter Sauce 🙂 Für uns sollte eine Wurst und zwei Stückchen Kuchen bis zum Abend reichen, denn dann hat Bijan noch ein Ass im Ärmel. In der Mittagspause brät uns die Sonne noch ordentlich aufs Hirn, in den Nachmittagsstunden wandelt sich das Bild aber plötzlich. In Altenhasungen wird nicht nur die Regenkleidung übergeworfen, sondern auch eine ausgedehnte Regenpause unter dem überdachten Dorfbrunnen eingelegt. Grund zur Hektik haben wir nicht. Vom weiteren Streckenverlauf ist bei mir besonders die Abfahrt vom Ofenberg, mit ihren vielen Serpentinen, hängen geblieben. Außerdem noch weitere wunderschöne Trailabschnitte, die ich örtlich aber leider gar nicht mehr zuordnen kann. Um die wieder zu finden, hilft eben nur, die Runde nochmal zu fahren 🙂 In der Anfahrt nach Leckringhausen spielt Bijan sein Ass schließlich aus und kündigt unsere komplette Gruppe zum Abendessen im „Landhotel Mulot“ an. Wunderbar, der Hunger ist inzwischen wieder groß. Die Gastronomie der Familie Kuhaupt kann sich sehen lassen. Portionen, die von einem normalen Menschen kaum zu schaffen sind. Es sei denn, er ist ein Biker! Die Schlussetappe des zweiten Tages, hinauf in Richtung Weidelsburg, wird mit so einer „Wampe“ jedenfalls zur echten Herausforderung. Unser Biwak schlagen wir nach 60 Kilometern und 1200 Hm. im Steinbruch „Katzenloch“, am Fuße der Burg auf. Hier bleiben keine Wünsche offen: Feuerstelle, Schutzhütte, ebener Boden, alles prima! Vor dem Lagerfeuer macht Martin mit uns noch eine Burgbesichtigung. Auch wenn das nochmal Schwitzen bedeutet: Der Ausblick vom Turm ist sehr genial. Und die Burg selbst auch!

Für den Samstagmorgen ist Besuch im Katzenloch angekündigt. Schon um 6.30 Uhr steht ein Herr von der lokalen Presse zwischen unseren Zelten. Bijan ist vorgewarnt und wartet bereits angehübscht fürs Interview, während wir noch leicht verschlafen aus den Zelten oder Bikwaksäcken kriechen. Auch das Lagerfeuer wird noch mal entfacht, ob jetzt nur fürs Bild oder zum Wärmen, ist grad egal. Holz ist jedenfalls noch ausreichend vorhanden. Meine letzte Chai-Latte wandert in die Tasse. Ansonsten habe ich noch einen Cliff-Riegel als Frühstück. Das war’s. Irgendwie habe ich mich mit der Verpflegung etwas vertan. Den Habichtswald habe ich insgesamt als deutlich zivilisierter eingeschätzt. Dass wir uns hier tatsächlich trocken fahren können, hätte ich nicht gedacht. In den kleinen Ortschaften, wenn denn überhaupt mal welche kommen, gibt es keine Geschäfte, keine Bäckereien, keine Schlachtereien und eine Tanke schon mal gar nicht. Will man Menschen sehen, muss man sie aus ihrem Haus klingeln. Anscheinend leben hier nur Selbstversorger oder Überlebenskünstler, ich habe keine Ahnung. Leider verlässt uns an diesem Morgen auch Bijan, der ebenfalls beruflichen Pflichten nachkommen muss. Er überreicht die Tourenverantwortung an Martin, der jetzt quasi seine erste Tour als geprüfter Naturparkführer absolviert. Mit uns als Begleiter hat er’s aber einfach. Denn eigentlich sind wir ja „selfsupportet“, also als Selbstversorger, eigenverantwortlich unterwegs.
Den Abzweig zu einer geöffneten Bäckerei in Naumburg haben wir im Wald leider irgendwie verpasst. Schade, aber wir haben die Hoffnung, in der nächsten Ortschaft etwas ähnliches zu finden. Unser Anfangs zügiges Vorankommen wird am Netzer Berg durch einen heftigen Windbruch gestoppt. Kurze Ratlosigkeit bezüglich des weiteren Weges. Ins Unbekannte, hinunter Richtung Edersee, will keiner von uns. Zurück aber auch nicht und hoch ist auch doof. Da bleibt dann eben nur noch die Säge. Nach zehn Minuten haben wir einen Durch- und Übergang geschaffen. Weit kommen wir nicht, dann ist der Weg vor uns erneut durch umgestürzte Bäume versperrt. Sehr schnell sind wir uns einig, jetzt eine alternative Route zu wählen. Wir rollen hinab nach Altendorf, finden hier auch nichts essbares und werden von einer Ureinwohnerin bis Elbenberg geleitet, wo es einen Edeka geben soll. Hurra, nichts wie hin, bevor der schließt. Wir erreichen den Markt rechtzeitig, kaufen ordentlich ein und kochen auf der Mauer gegenüber erstmal einen Kaffee. Streuselkuchen, genauso, wie ihn Oma gebacken hat. Den gab’s ausgerechnet an der Fleischtheke zu kaufen… Kindheitserinnerungen werden wach: Opa steuert den Traktor, pflügt die Kartoffeln aus der Erde, die Familie liest dieselben vom Acker und irgendwann gibt’s dann Kaffee (Karo-Kaffee für mich) und den Streuselkuchen auf der Decke….das Kartoffelfuer brennt nebenan….. OK, genug der Anekdoten, zurück zu unserer Tour: Nach der Stärkung fahren wir weiter bis Riede und treffen wieder auf unseren ursprünglichen Track. Nur Olaf ist der Campingplatz „Weissenthalsmühle“, ebenfalls aus seiner Kindheit, bekannt. Wirklich ein sehr idyllisches Plätzchen, mitten im nirgendwo. Ab hier beginnt übrigens der -mühsame- Aufstieg in die Langenberge. Von mir gehasst, wegen ihrer Geradheit und heftigen Steigung. Aber es hilft ja alles nichts, irgendwie müssen wir hier drüber, um zu unserem Ausgangspunkt zurück zu kommen. Wenigstens kann ich unterwegs noch auf einen besonders schönen Overnighter-Spot aufmerksam machen, der allerdings noch mal eine kleine Kursänderung zur Folge hat. Aber die Aussicht ist es wert. Wenig später kreuzen wir den eigentliche Track und rollen nur noch talwärts bis Baunatal-Altenritte und in die Eisdiele hinter dem Pedalwerk. Durch unseren Besuch wird deren Eiskarte in Kürze um eine „Westerwälder Spezilialität“ erweitert: „Cola-flip“ . Unbedingt merken!
Noch nie gehört?
Ist sehr lecker und besteht aus einem Glas Coca-Cola, ergänzt um eine Kugel Eis der persönlichen Wahl (Zitrone fand ich sehr lecker) 🙂

Noch etwas ist mir in eindrucksvoll in Erinnerung geblieben: Obwohl die Gruppe bunt gemischt und sich zu großen Teilen anfangs fremd war, hatte ich zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass es unterwegs irgendwie zu Spannungen kam. Es herrschte durchgängig ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl, auch wenn wir mal getrennt gefahren sind. Das habe ich als sehr angenehm empfunden (sehr ähnlich war es übrigens während des Candy B. Gravellers auch).
Und noch jemand ist in meinem Gedächtnis hängen geblieben: Paul. Mit seinen mal knappen 14 Jahren hat er sich souverän geschlagen und ist ab und an bis an seine körperlichen (und mentalen) Grenzen gegangen. Echt stark!

Vielen Dank Bijan für diese super schöne Runde um und durch den Naturpark Habichtswald!
Gerne wieder 🙂

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6 Thoughts to “Die Habichtswald-XL Bikepacking-Runde”

  1. Petrus

    Super Bericht über eine Klasse Tour. Hoffe bald mal wieder eine Tour mit euch machen zu dürfen, hat richtig richtig spass gemacht.
    (Abdruck der Pedale am Schienbein ist fast verschwunden – was bleibt sind wunderschöne Bilder im Kopf)

    1. Mario Schön

      Danke Petrus, zum Glück ist das mit deinem Schienbein nicht schlimmer geworden! Hast dich gut geschlagen 👍🏼 für den nächsten overnighter bekommst du eine Nachricht 😁

  2. Thomas

    Sehr schöner Bericht und sehr schöne Fotos. Glückwunsch.

    1. Mario Schön

      Merci Thomas, wir hatten auch richtig Spaß auf der Tour!

  3. Olaf

    Toller Bericht über eine super Tour die mir richtig Spaß gemacht hat.
    Auch meine Investitionen in neues Bikepacking Equipment waren nicht umsonst, denn die eine oder andere Tour mit Übernachtung werde ich in Zukunft bestimmt wieder machen.
    Dank an Bijan und die ganze Truppe für die tollen drei Tage.

    1. Mario Schön

      Super, das hört sich doch gut an 😃 dann können wir unseren Rundruf für overnighter ja demnächst erweitern…

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