Unser Lastenrad ist da

Die Entscheidung für ein Lastenrad ist schon im September gefallen. Das Zünglein an der Waage war ein positiver Förderbescheid des Landes Hessen, das ein elektrisch angetriebenes Lastenrad mit 1.000€ bezuschusst. Super, da war ich schnell genug mit einem Antrag. Denn die 1,2 Mio. EUR Gesamtvolumen des Fördertopfs waren ziemlich schnell verteilt.

Welches Bike ist es geworden und was stand zur Wahl?

Zur Auswahl standen am Ende das Riese&Müller-Load, das Larry vs Harry eBullit und ein sBlocs calderas_e one. Die beiden erstgenannten Räder sind einspurig. Soll heißen, zwei Räder hintereinander. Vorn hängt meist ein kleineres 20 Zoll-, hinten sitzt das größere 26 Zoll-Rad. sBlocs baut hingegen ein dreirädriges Bike, mit zwei 24Zoll Rädern vorn und einem 26Zoll Rad am Heck. Zwischen den beiden Vorderrädern befindet sich die Transportbox, oder alternativ eine Plattform. Auf dieser lassen sich beliebige Boxen oder Gegenstände befestigen. Sowohl Riese&Müller als auch Bullit bieten zwischen Lenker und Vorderrad ein tief liegende „Plattform“ für unglaublich viele Transportmöglichkeiten. Die Bauform bedingt durch ihre bloße Länge Einbußen bei der Wendigkeit. Hier spielt das sBlocs in einer eigenen Liga und nennt sich auf Grund seiner Anmaße nicht umsonst „Compact-Cargobike“.
– Im Januar 2019 durfte ich mir von unserer Gemeinde ein „UrbanArrow“ Cargobike ausleihen. Einfalls einspurig und mit einer gewaltigen wannenartigen Kiste ausgestattet (2,60m Gesamtlänge!). Dessen Wendekreis entsprach im Vergleich zum sBlocs dem eines Lkw. Ein Blogartikel zur Testfahrt findet sich hier

DA KOMMT ES! Hier wird das Cargobike von einer Spedition angeliefert

Es tummeln sich am Markt übrigens auch einspurige Lastenräder mit einer Seilzug-Lenkung. Diese sind denen mit einer Lenkstange in Sachen Wendekreis etwas im Vorteil. Die Seilzug-Lenkung schied für mich allerdings aus.
Ein Schaltseil ist mir genug Seil am Rad. Bekanntlich ist dies ein Verschleißteil… (kann ein Vorurteil sein)

Wenn es um die Zuladung geht, bieten das Load (max.200kg Gesamtgewicht) , sowie eBullit (180kg Gesamtgewicht) davon etwas mehr, als das calderas_e (70kg Zuladung, 40kg vorn, 30kg auf dem Heckträger). Möglicherweise allein schon wegen des niedrigeren Schwerpunkts. Rein theoretisch besteht beim sblocs auch die Möglichkeit, dass das Rad über die Vorderachse nach vorn kippt. Was es laut dem Hersteller im normalen Gebrauch aber nicht tut!
Das soll es aber auch schon an Vergleichen zwischen den unterschiedlichen Lastenrädern gewesen sein. Weitere Infos finden sich ausreichend im Netz.

Was sind unsere Anforderungen an ein Cargobike:
  • Erledigen des Einkaufs von Lebensmitteln und Getränken.
  • Kleinere Transportaufgaben zwischen Familie oder Freunden
  • Fahrten zum Arbeitsplatz
  • Stadttauglichkeit, also wendig und schmal genug für die Durchfahrt zwischen Pollern auf Wegen
  • Möglichst viel Stauraum, der abschließbar und möglichst Wetterfest ist
  • Angenehme Sitzposition, die einem Mountainbike oder Tourenrad entspricht
  • Gutes Fahren auch ohne Unterstützung des Motors in hügeligem Gelände (Nordhessisches Bergland)
  • Tourentauglichkeit
Worauf wir verzichten können:
  • Kinder im Bike transportieren
  • Tiertransport spielt für uns keine Rolle (Dafür gibt es übrigens spezielle Boxen)
  • Den Hausstand mit dem Rad transportieren (dafür gibts noch ein Auto mit Anhänger)

Unsere Entscheidung fiel nach Abwägung dieser ganzen Punkte (und vielleicht noch ein paar mehr) schließlich zu Gunsten des dreirädrigen sBlocs calderas_e One aus.
Na klar, ein solches Fahrwerk bedingt eine kleine Eingewöhnungsphase. Dennoch lässt sich diese Bike sehr sportlich fahren. Die Maximal-Geschwindigkeit in Kurven ist etwas niedriger als bei einspurigen Rädern, das will ich nicht verschweigen. Vielleicht fehlt’s mir auch einfach noch an Übung 🙂 Ansonsten habe ich ein richtig gutes Fahrgefühl, auch schnelle Antritte im Stehen und Wiegetritt funktionieren völlig problemlos. Wer glaubt, auf dem sBlocs-Bike lässt sich auch im Stillstand einfach drauf sitzen, ohne den Fuß auf den Boden zu stellen, wird eines besseren belehrt: Durch die Neigtechnik kippt das Bike sehr wohl zur Seite, aber auch nur bis in den „Anschlag“.

Das Bike noch voll verpackt und daneben ganz frisch aus der Pelle geholt

Was mir besonders gut gefällt:
  • Der Brose Motor (70Nm Drehmoment. Nur mal zum Vergleich: Ein smart coupe mit 71PS hat 91Nm max. Drehmoment!)
  • die 1×11 XT-Kettenschaltung
  • die Akku-Kapazität von 635Wh
  • die Transportbox ab Werk
  • der support von sBlocs (trotz der Entfernung zwischen Kassel und Berlin)
Was ist verbesserungswürdig
  • Abdichtung der Lager (Radlager, Schwenklager für Neigemechanismus)
  • Der werkseitig verbaute Lenker ist mir etwas zu schmal (breitere Lenker beeinflussen eventuell das Kurven-Fahrverhalten, das heißt, engere Kurven sind „schwieriger“ fahrbar. Hierüber werde ich mal Rücksprache mit sBlocs führen)

Ein paar Worte zum Fahrwerk

Die Lenkung des calderas_e basiert auf einer Drehschemel-Lenkung. Das bedeutet, dass sich die Vorderachse inklusive der Transportbox mit dem Lenker um einen Punkt dreht. Die Räder stehen immer parallel zur Transportbox.

Dem gegenüber steht die Achsschenkellenkung, die sowohl in Pkw als auch Lkw Anwendung findet. Hierbei schwenkt jedes Rad um eine eigene Achse ein. Die Transportbox ist hingegen fest mit dem Rahmen verbunden und dreht sich nicht. Somit muss bei diesem Konzept die Vorderachse breiter gebaut werden, damit die Räder bei Lenkeinschlag nicht an der Box schleifen, oder die Box muss entsprechend schmaler ausfallen. Eine recht gute Darstellung findet sich hier.

Um das Fahrverhalten noch weiter zu verbessern, neigt sich das calderas_e um bis zu 24° seitlich nach rechts und links. Diese Neigetechnik ermöglicht eine höhere Kurvengeschwindigkeit. Zum Konzept der sBlocs bikes gehören zwei Lenkachsen, die über eine Stange miteinander verbunden sind (Lenkgetriebe). Es drehen sich sowohl der Lenker, als auch das Drehgestell um ihre eigenen Rotationsachsen. Dadurch unterscheiden sich die sBlocs Compakt-Cargobikes erheblich von anderen dreirädrigen Bikes, die zum Beispiel einen „Lenkbügel“ besitzen, mit dem die Box gedreht werden kann.

Pos.24 zeigt die Lenkstange, grün eingekreist sind die beiden Drehpunkte
(Quelle: Offenlegungsschrift DE 10 2016 110 346 A1 2017.12.07)

Hinweise zum elektrischen Antrieb (Steuerung, Akku, Motor)

Auf dem Gebiet der elektrischen Antriebe für Fahrräder bin ich Neuling. Meine Frau fährt zwar seit 3 Jahren mit einem MTB-Pedelec, aber darum musste ich mich bislang nie wirklich kümmern. Außer an den mechanischen Komponenten, also normaler Verschleiß, gab es keine Reparaturen. Dementsprechend optimistisch gestimmt hatte ich vollstes Vertrauen in die von sBlocs gewählten Komponenten. Alles sehr hochwertige Bauteile, von namhaften Herstellern.

Umso größer war dann meine Überraschung, als es mit der Elektronik am Anfang ein wenig holprig lief. Die Probefahrt hatte ich damals mit einer Shimano Alfine 8-fach Getriebenabe gemacht. Weil ich selbst gerne Schraube, habe ich für unsere Konfiguration eine Kettenschaltung mit XT-Schaltwerk (1×11) gewählt. Hierbei kommt ein „Gear-Sensor“ zum Einsatz, der die Bewegung des Schaltzuges sensiert und im Moment eines Schaltvorgangs das Drehmoment des Motors reduziert. Das soll weiche Schaltgänge gewährleisten. Sehr cool, wie ich finde.
Allerdings: Eine zusätzliche Komponente, die die Steuerung zu berücksichtigen hat. In den Konfigurationsmöglichkeiten von sBlocs gibt es zum aktuellen Zeitpunkt nur die Bloks14D von BMZ zur Auswahl. Aufgrund bekannter Probleme mit eben dieser, wurde unser Cargobike bereits mit einer neueren Brose-Allround-Steuerung ausgestattet (Brose eigene Entwicklung). Der verbaute Akku stammt aus dem Hause BMZ. Was ich oben eingangs schon erwähnte, der Motor ist ein „Brose DriveT Alu“ (70Nm, 320% Unterstützung, 25km/h). Seineszeichens besonders für den Einsatz in Cargobikes geeignet! (Weitere Infos zum Motor finden hier)

Wo entstand jetzt aber das Problem: Jede der Antriebskomponenten besitzt eine eigene Platine mit eigener Software. Das heißt, nicht nur die Steuerung, sondern auch der Akku und der Motor besitzen eine „Firmware“. Wenn jetzt Neuentwicklungen oder Nachfolger der existierenden Komponenten auf den Markt gebracht werden, dann haben die Hersteller dafür Sorge zu tragen, dass diese untereinander mit den für den Betrieb spezifizierten Einheiten auch kommunizieren. Und genau da hakt es! Im konkreten Fall passen nicht alle Softwareversionen zusammen. Nach gemeinsamer Fehleranalyse bekam ich von sBlocs Ersatzweise das Bloks14-Display UND einen neuen Akku. Damit lässt sich das caldreas_e one absolut fehlerfrei fahren. Die Eingrenzung des Softwarefehlers war nicht ganz einfach und ich habe ein Weile gebraucht, die Unterbrechungen im Antrieb reproduzieren zu können. sBlocs konnte dies im Anschluss an einem baugleichen Rad nachvollziehen. An dieser Stelle möchte ich den klasse support von sBlocs erwähnen. Marcus Dittberner, Geschäftsführer von sBlocs, war sehr bemüht, mir auch über die Entfernung zwischen Kassel und Berlin bestmöglichen Service zu bieten. Danke nochmal dafür! Sobald Softwareupdates für die Brose-Allround-Steuerung und den BMZ Akku vorliegen, darf ich wieder umbauen. Was zum Glück aber relativ einfach zu bewerkstelligen ist.

Jetzt heißt es erstmal Fahren, Fahren, Fahren. Und das macht einfach riesig Spaß!

Zum guten Schluss noch ein Vergleich von ein paar technischen Daten der Lastenräder, die in meine engere Auswahl gekommen sind:

sBlocs calderas_eRiese&Müller Load60eBullit
Gesamtlänge2050 mm 2480 mm2430 mm
max. Breite730 mm560 mm (Rahmen)466 mm (Rahmen)
Gewicht d. Bikes38 kg mit Box36,5 kg ohne Box32 kg ohne Box
Zuladung bzw. zul. Gesamtgewicht70kg (40v/30h)200 kg inkl.Fahrer180 kg inkl.Fahrer
MotorBrose DriveT AlBosch Cargo line cruiseShimano STePS
RahmenmaterialAluminiumAluminiumAluminium
Tabellarischer Vergleich der Cargobike-Modelle, die für mich interessant sind

Beim Vergleich der nackten Zahlen fällt die Breite des calderas_e auf. Diese bezieht sich auf die äußeren Maße der beiden Räder. Damit ist es trotzdem nicht breiter, als ein ganz normaler Mountainbike-Lenker. Die Maße der beiden anderen Modelle beziehen sich nur auf das Rahmenmaß. Durch den Lenker sind sie dann in der Breite auf dem Niveau des calderas_e. Und dann fällt eben auch auf, dass das sBlocs deutlich kürzer baut und deshalb auch viel wendiger ist. Bei der Zuladung bin ich auch etwas ins Grübeln geraten. sBlocs gibt bei allen Rädern eine mögliche Zuladung vorn und hinten an. Riese&Müller und Larry vs Harry zeigen ein zulässiges Gesamtgewicht auf. Konkrete Gewichte zu den Modellen konnte ich keine finden. Lediglich Angaben zu den Rahmen, bzw. Gewichte ohne Antrieb finden sich.

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7 Thoughts to “Unser Lastenrad ist da”

  1. Markus Sennhenn

    Ahoi Schoenie und Gratulation zum Bike. Das hört sich gut an und wird bestimmt manchen Weg mit dem Auto sparen. Ich nutze mein E-Bullitt nahezu täglich und bin immer wieder erstaunt, was da so alles transportiert werden kann,
    Ich konnte mir aufgrund der Breite mancher Radwege kein mehrspuriges Gefährt vorstellen und bin neugierig zu erfahren ob Du die Wege entsprechend überlegen musst, z.B. um Absperrungen bei Straßenbahnen oder schmale Abschnitte zu umgehen.
    Viele Grüße Markus

    1. Mario Schön

      Hey Markus, das ist ja interessant!! Da fährst du also ein e-Bullit, super 🙂 Stand ja auf meiner Liste auch mit ganz oben.
      Die Breite des sBlocs musst du dir mal live anschauen. Durch die Art der Lenkung (Drehschemel) baut es eben nicht breiter, als ein MTB-Lenker. Das mag sich durch das Volumen der Transportbox vielleicht anders „anfühlen“, oder breiter aussehen. In der Praxis spürst du aber, dass es überall durchkommt. Bislang konnte ich kein Hindernis ausmachen. Ähmmm, doch, eine Stelle gibt es tatsächlich, die ist schwierig. Aber da kommst du mit dem Bullit noch weniger rum: Die Unterführung unter dem Hopla. Wenn du an der Uni vorbei, die Wolfhager-Straße aufwärts fahren willst, kommst du nicht ohne händisches Umsetzen um die Kurve, wenn du die Rampe rauf fährst. Da musst du quasi 180° um die Kurve und da ist es auch noch richtig schmal.
      Vielleicht können wir ja mal nen Lastenrad-Treffen machen 🙂
      Bis bald und viele Grüße
      Mario

      1. Markus

        Das hört sich gut an und hätte ich so nicht vermutet. Ich würde es auf jeden Fall einmal gerne anschauen. Sieht sehr wertig und schlau gemacht aus.
        Ich habe grad einen Artikel über die Münsteraner Kaffeefahrt gelesen und habe das Bild mit der Cap bei Dir gesehen. Bist Du da schon mal mit gewesen? Hört sich spannend an.
        Eine Lastenradelei wäre auf jeden Fall eine Überlegung wert…
        Wir planen da mal etwas nach Frostepisode oder im Frühjahr, oder?
        Bis bald und viele Grüße
        Markus

        1. Mario Schön

          So eine Lastenradelei sollten wir auf jeden Fall mal einplanen! Ich hätte zum Üben für eine „Fernfahrt“ direkt ein Tagesziel als Idee….
          Neben einer Kaffeefahrt gibt es übrigens auch eine Schokofahrt (https://schokofahrt.de) für Lastenradler.
          Die Kappe, die du gesehen hast, gibbets aber ganz normal zu kaufen: https://www.riding-is-living.com/shop/
          LG
          Mario

          1. Markus

            Sehr schön. Dann üben wir mal sobald das Wetter fein wird. Übrigens habe ich auch die Schokofahrt gemeint. Das ältere Hirn setzt gelegentlich aus…
            LG
            Markus

  2. Thomas

    Top Bericht !!!
    Und noch mal Glückwunsch zum Rad.

    1. Mario Schön

      Vielen Dank Thomas 😊

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