Unter Strom – Eine Probefahrt

Es ist nicht gerade beliebt unter Radfahrern: Das e.Bike.

Woher kommt diese Abneigung denn eigentlich?
Nun, zum Einen wird der ambitionierte Radsportler plötzlich von Leuten überholt, die ohne das elektrisches Helferlein nicht mal annähernd auch nur im Windschatten das Tempo mitfahren könnten, zum Anderen sind früher vollkommen einsame Strecken plötzlich durch elektrifizierte Zeitgenossen bevölkert, die kaum Herr ihrer Rosse sind und sich wenig bis gar nicht an gewisse Regeln halten. Aber immer nur meckern zählt nicht, nur wer seinen „Feind“ kennt, kann ihn auch schlagen. Grund genug, sich so ein Teil mal für eine Probefahrt auszuleihen. Meine Wahl fiel auf ein „Pedelec“, die am häufigsten vertretene Rasse der elektrisch unterstützten Räder. Optisch sticht für mich persönlich ein Modell aus dem Krusch der Masse hervor und das vertreibt smart.
Seitenansicht

Ja, na gut, ich bin sowieso smart Fan, aber das Teil ist wirklich schön. Der Alurahmen wird von „Grace“ aus Berlin geliefert, die Scheibenbremsen stammen von Magura aus dem Schwäbischen Bad Urach. Den Antriebstrang steuert BionX mit dem Hinterradmotor und Gates mit einem Carbon-Zahnriemen bei, der wartungsfreundlicher als eine Kette ist. Besonders überrascht hat mich der Motor, der mit 250W ein max. Drehmoment von 35Nm leistet. Motor AntriebVöllig geräuschlos verrichtet er seine Arbeit, das ist ein markanter Unterschied zum letzte Woche bestaunten „Boosty“ aus der Schweiz, der seine Unterstützung vergleichsweise lautstark vermeldet. Sehr durchdacht wirkt auch das abnehmbare Display des Bikes. Alle wichtigen Daten werden angezeigt, die Leistungsunterstützung kann in vier Stufen angefordert werden. FrontansichtBlöd finde ich in dem Zusammenhang die 3-Gang Nabenschaltung, die für mein Empfinden zu wenig Übersetzungsbandbreite liefert. Aber hier arbeitet man laut Aussage der Verkäuferin bereits an einer Optimierung. Der Akku bunkert satte 9Ah, das soll für maximal 100 Kilometer reichen. Das kommt bei uns in den Bergen wohl kaum hin, will man nicht ins Schwitzen kommen. 60 Kilometer würde ich da als realistisch bezeichnen. Allerdings bin ich für eine gute Einschätzung einfach zu kurze Strecken gefahren. Aber wie fährt es sich denn nun ?? Angefangen habe ich ganz ohne Unterstützung. Die 26kg Gewicht machen sich in der Ebene nicht soo deutlich bemerkbar. Am Berg dafür sofort. Also zaghaftes Drücken bei + am Display. Ahh, der Schub setzt mit 1-2 Sekunden Verzögerung ein, ja, tolles Gefühl, das muss ich zugeben. Mehr Leistung, wow, das geht echt gut voran. Fette Beschleunigung an der Kreuzung, dann kommt die lange Ebene. Mit meiner Stadtschlampe schaffe ich hier bequem 28-30 km/h. Naja, ok, warm wird mir dabei schon. Das Tempo schaffe ich mit diesem Elektro-Brocken aber nicht. Bei 25km/h ist Schluss mit Schub. Ein komisches Gefühl, denn das geht dann echt merklich schwerer. Mist, 28km/h strengen an. Wenn man langsamer wird, kommt wieder die Unterstützung. Und so wechseln sich Schub und Verzögerung unentwegt ab. Am besten fährt es sich, wenn ich möglichst die 25km/h nicht überschreite. Das macht einen ambitionierten Radfahrer natürlich nervös, bzw. schlichtweg keinen Spaß! Da wo ich schnell fahren kann, soll’s auch rucken. Da kann der Wind ruhig mal in den Ohren rauschen. Mit dem e-Bike zieht man kontinuierlich, ja stoisch, sein Tempo durch, allerdings auch dann, wenn’s mal hoch geht.Bremse

Nach gut 35 Kilometern bringe ich das Rädchen wieder zurück zu smart. Naja, wenn man 2800 Euro Spielgeld zur Verfügung hat, also in der Portokasse, dann ist es ein technischer Leckerbissen, für den ich mich auch begeistern kann. Das Fahrerlebnis hat mich mit der zur Zeit angebotenen Übersetzung allerdings nicht richtig überzeugt. Die 25km/h Dauertempo nerven mich. Morgen nehme ich wieder mein 28er mit schnöder Kettenschaltung. Aber damit mache ich zwischen Heiligenrode und der Hafenbrücke alle Pedelecs platt 😉

Und so weiß ich jetzt, wo den e-Mobilisten am besten der Zahn zu ziehen ist: In der Ebene und im Gefälle. An langen Steigungen wird’s eventuell eng, aber da spielt mir die Distanz in die Hände 🙂 Also vor dem Angriff einfach kurz das Gespräch suchen, wie lange man denn schon fährt, wo soll es hingehen und dann antreten 😉

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3 Thoughts to “Unter Strom – Eine Probefahrt”

  1. Thomas

    Es gibt verschiedene Radhersteller die ihre Räder in Zukunft nicht mehr mit Mittelmotor ausrüsten. So z.B. Flyer. Und das ist ja nicht irgendein Hersteller. Ausserdem hört man, dass ein grosser Hersteller von Mittelmotoren seine Produktion beendet.
    Mittelmotor in Kombi mit Nabenschaltung geht gar nicht. Gerade am Berg kannst Du einfach nicht schalten, da der Zug auf der Nabe zu lange zu stark bleibt. In Kombi mit der Kettenschaltung geht es etwas besser, aber der Verschleiß ist riesig.
    Ich bin auch kein echter Utopia Fan, aber die haben ganz mutig eine interessante Entwicklung angestossen.
    Das ist ja nicht ohne Risiko.
    Angeblich hat Bosch mit 175 Leuten den Mittelmotor entwickelt. Da finde ich das Ergebnis etwas peinlich. Vermutlich hatten die niemanden im Team, der etwas vom Radfahren versteht.

  2. Thomas

    Schön ist das Rad ja.
    Aus meiner Sicht ist die Entwicklung der E-Bikes noch ganz am Anfang. Vom Mittelmotor scheint die Branche sich gerade berechtigterweise zu verabschieden. Der Hinterradmotor ist da schon die bessere Variante, obwohl ich mittlerweile den Frontmotor auch sehr interessant finde. Aus technischer Sicht ist da die Utopia Entwicklung ziemlich gut. So ist zum Beispiel die Software ist am heimischen Rechner programmierbar und das Rad ist mit einem Neigungssensor ausgestattet. Das führt dazu, dass das Rad einen Berg erkennt und nicht aufgrund der geringeren Trittfrequenz die Leistung des Motors runterfährt. Die anderen Räder denken hier, dass der Mensch auf dem Rad langsamer fahren möchte. Wer sich mit dem Thema beschäftigt, soll sich die Utopia Räder mal anschauen. Haben jetzt nicht das coolste Image, scheinen aber technisch echt gut zu sein.

    1. Mario Schön

      Interessanter Hinweis!! Danke, woher hast du die Info, dass der Mittelmotor aussterben wird? Bislang hielt ich dies für ein echt gutes Konzept. Habe mir Utopia angesehen. Die Räder sind optisch natürlich sehr gewöhnungsbedürftig. Was man dort aber über die Elektrifizierung lesen kann, ist wirklich sehr interessant. War mir neu, dass diese Firma auch Pedelecs herstellt!

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