Die Idee, eine Bikepackingtour durch die Niederlande zu machen, brachte Andreas letztes Jahr auf den Tisch. Direkt mal durch die schönsten Natur- und Landschaftsparks des Landes fahren: Konkret hieß das, der „Green-Divide“ folgen. Dies ist allerdings kein Rundkurs. Die Route startet am Bahnhof Naarden-Bussum und deren Ziel liegt mitten in Zwolle. Zwei bis vier Tage werden vom „Erfinder“ Erwin Sikkens als Zeitfenster für die etwas über 300 Kilometer lange Distanz vorgeschlagen. Die Green Divide wird bei Komoot beschrieben und die GPS-Daten stehen dort zum Download bereit.
Für eine Wochentour (vom 23. Mai bis 02. Juni) war uns die Green Divide allerdings etwas zu kurz. Und so haben wir sie einfach an unsere Bedürfnisse angepasst oder besser gesagt, sie in unsere Tour eingebaut. Mit einem Start in Amsterdam und dem Ziel in Kassel, unserer Heimatstadt. Etwa 1000 Kilometer sollten es sein.

Die Anreise
Für die Anreise nach Amsterdam haben wir die Deutsche Bahn genutzt. Mit dem ICE von Kassel und einem Umstieg in Hannover lässt sich die Niederländische Metropole in etwa sechs Stunden bequem erreichen. Reservierungen für die Fahrradmitnahme sind obligatorisch. Ab Hannover ist die Reise mit dem Rad sehr komfortabel, da in dem Fernzug (IC 240) das Fahrradabteil deutlich größer als im ICE ist. Wir haben uns für den ersten ICE (1088) um 6:37 Uhr ab Kassel entschieden. Der ist nach nicht einmal einer Stunde Fahrzeit schon in Hannover. Von dort ging es kurz vor 8 Uhr weiter bis Amsterdam Centraal. Diesen Anreisetag haben wir für eine kleine Erkundung von Amsterdam genutzt.
Kaum eine andere Stadt (außer vielleicht Kopenhagen) ist dermaßen gut an Fahrradverkehr angepasst. Das ist schon sehr beeindruckend. Und trotzdem anstrengend: Die Amsterdamer fahren geradezu halsbrecherisch, kompromisslos und grundsätzlich ohne Helm! Verlässt der Radler die Fahrradspur und kommt versehentlich auf die Fahrbahn für Autos, wird er unvermittelt als vogelfrei deklariert. Da sind die Niederländischen Autofahrer echt gnadenlos und hupen alles von der Bahn, was sich dort verirrt. Seitenabstand? 10cm sind mehr als genug….das ist nichts für schwache Nerven.
Deutlich entspannter ging es in unserem Nachtquartier zu. Andreas hat uns in der Train-Lodge in ein Schlafwagenabteil eingebucht. Starke Idee und echt ein heißer Tipp. Zu dritt passten wir exakt in ein Abteil. Übereinander! Etwas Bedenken hatten wir wegen der Räder, die natürlich nicht in den Waggons geparkt werden konnten. Nach guter Tarnung und sogar umzäunt, hatten wir dann weniger Sorgen. Gut ausgeruht konnten wir am Samstagmorgen mit unserer Tour starten.
Unsere Strecke
Am frühen Morgen lässt sich Amsterdam sehr gut und schnell durchfahren. Nach gut 20 Kilometern hat man den Großstadtdschungel hinter sich gelassen und es wird zunehmend grüner. Natürlich führt die Green Divide nicht durch alle 22 Nationalparks der Niederlande hindurch. Dennoch schreibt sie sich auf die Fahnen, die längste, grüne Bikepacking-Strecke des Landes zu sein. Mit sehr abwechslungsreichen Untergründen, die zwischen Asphalt, Beton, Waldboden und knöcheltiefem Sand variieren. Der Start in Naarden ist schon klasse gelegt. Hierbei handelt es sich um eine ehemalige Festungsanlage, die inzwischen den Status eines Kulturdenkmals genießt. Wir haben uns die Green Divide in drei Abschnitte eingeteilt. Damit bleibt unterwegs auch ausreichend Zeit zum Genießen der Landschaft (oder zum Unterstellen, um den Regen vorüber ziehen zu lassen).
Ab Zwolle hat Andreas Vorschläge von Komoot übernommen. Unterhalb von Groningen wechselt der Kurs nach Süd-Osten, führt noch durch die „Drentsche Aa“, um zwischen Emmen und Meppen die Grenze nach Deutschland zu überqueren. Unterhalb von Osnabrück wird dann der Teutoburger Wald erreicht. Wir folgen dem Verlauf des Hermannsweges und nehmen noch einen Zipfel des Eggegebirges mit. Hinter Bad Iburg wechselt die Strecke in das Oberwälder Land, wo wir die Weser erreichen. Ab Hümme machen wir es uns einfach und überbrücken den etwas langweiligen Streckenabschnitt bis Kassel einfach mit der RT1.
Bikes und Ausrüstung für die Green Divide
Für die neun Tage haben wir ausschließlich Übernachtungen in unseren Zelten eingeplant. Insofern war an jedem Rad neben dem Schlafsack ein Zelt, eine Isomatte und Kocher sowie Gas, inklusive Nahrung untergebracht. Unterwegs kaufen wir, wenn möglich, täglich zusätzlich frisches Obst und Gemüse sowie Getränke für den Abend ein. Großer Vorteil von Campingplätzen ist, dass sanitäre Einrichtungen zur Verfügung stehen und bei Bedarf auch die Wäsche gewaschen werden kann.
Mario



Bike: Rose Backroad, etap AXS Mullet Build (Sram Force) , 1×12 (vorn 32, hinten 10-50)
Besonderheit: SON 28-12 Nabendynamo, Forumslader pro, self-made 3D gedruckte Lenker-Halter für Fixplus Cargo Cage
Taschen: Oberrohrtasche Tailfin (1,1l Flip) und Tailfin Heckträgersystem (Aeropack Carbon), Rahmentasche Cyclite (2,8l), Lenkerrolle Revelate Designs Pronghorn Drybag M, Apidura food pouche (Gesamtgewicht: 23kg)
Andreas



Bike: Idworx Grandone Gravel, Shimano GRX RX810, 2×11 (vorn 46-30, hinten 11-40)
Besonderheit: SON 28-12 Nabendynamo, Forumslader pro
Taschen: hinten Tubus Airy Titan, Revelate Designs nano Panniers, Rahmentasche Revelate Designs Tangle und Jerrycan, Gabeltaschen Tailfin und Revelate Designs, Unterrorhtasche Apidura Expedition downtube pack, Lenkerrolle Ortlieb (Gesamtgewicht: 22,5kg)
Dirk



Bike: Canyon Grizl, 1×12 SRAM rival etap AXS, (vorn: 40, hinten: 10-44)
Besonderheiten: SON 28-12 Nabendynamo, Forumslader pro, Lenkerrolle beinhaltet Zelt, Schlafsack und Isomatte (sauschnell verpackt)
Taschen: Oberrohrtasche Cyclite Top tube large, Lenkerrolle self-made, Rahmentasche self-made, Satteltaschen Ortlieb seat-pack 16,5, Gabeltaschen: Ortlieb fork-pack 8,5 (Gesamtgewicht 22kg)
Ein Test auf der Tour: Öl oder Wachs?
Es gibt da noch einen kleinen Versuch zur Kettenpflege: Andreas testet zur Zeit eine gewachste Kette. An diesem Thema scheiden sich die Geister und es wird unendlich viel darüber diskutiert, was nun besser ist. Meiner Meinung nach hat sowohl Kettenöl, als auch Wachs Vor- und Nachteile, die jeder für sich selbst entscheiden muss. Auf unserer Tour war der Unterschied schon sehr interessant zu beobachten. Auch der „Aufwand“ der während viel Regen für Wachs betrieben werden muss (Wachs lässt sich von Wasser gern verdrängen). Aber wenn man die beiden Antriebe vergleicht, besonders mit Blick auf die Schaltröllchen, ist der Unterschied schon deutlich erkennbar. Links die gewachste Ketter, rechts geölt (ohne vorherige Behandlung mit Lappen, am Ende eines Tourentages).
Highlights der Tour
Amsterdam. Die Stadt ist sehenswert, leidet allerdings auch unter dem wachsenden touristischen Druck. Mit dem Rad ist man hier sehr flexibel unterwegs. Die Radinfrastruktur ist beeindruckend!
Der Verlauf der Green Divide ist schon wirklich genial. Die Beschaffenheit der Wege ist spitze. Der Schotter ist fest und fein, über weiche Untergründe wurden Betonplatten verlegt. Die Beschilderung mit Hilfe des Knotenpunktsystems ist einfach nur klasse. Radwege sind meistens getrennt von Fußwegen und von Straßen sowieso.
Nationalpark Veluweezoom. Der älteste Nationalpark der Niederlande zeichnet sich durch seine hügelige Landschaft mit dichten Wäldern oder endlosem Heideland aus. Dazwischen liegen immer wieder Sanddünen. Absolut sehenswert.
Teutoburger Wald und Hermannsweg. Hier gehts, was Anstiege betrifft, ganz anders zu, als in den Niederlanden. Der Höhenweg macht richtig Spaß, tolle Aussichten runden die Anstrengung ab. Seltsamerweise sind Campingplätze hier dünn gesät und man muss etwas suchen. Unter Umständen auch die Strecke etwas anpassen.
Bilder von unterwegs
Amsterdam
Tag 1 Green Divide (Amsterdam – Naturcamp de Bosbeek) 132km
Camp: https://nivon.nl/accommodaties/de-bosbeek-kampeerterrein/
Tag 2 Green Divide (Naturcamp de Bosbeek – Naturcamp Drie) 103km
Camp: https://www.ermelo.de/ubernachten/campingpl-tze/naturcampingplatz-drie
Tag 3 Green Divide (Naturcamp Drie – Zalk, Nähe Zwolle) 98km
Camp: https://www.kampeerplaatsdeleaghte.nl/index.php
Tag 4 Von Zalk bis Diever – Oder die Flucht vor dem Regen 98km
Ab dem Nachmittag ist ein großes Tiefdruckgebiet mit sehr starkem Niederschlag angekündigt. Wir beschließen deshalb kurzfristig, anstatt im Zelt in einer angemieteten Hütte auf dem Campingplatz zu übernachten. Eine gute Entscheidung! Die ohnehin noch feuchten Zelte trockenen wir unterwegs an einem Aussichtspunkt.
Camp: link zum Platz
Tag 5 Von Diever bis Borger 95km
Der große Regen ist in der Nacht durchgezogen. Wir sind happy. Alles richtig gemacht! Vor allem war es in der Hütte durch den gut gefüllte Pelletofen auch schön kuschelig 🙂 Unsere Klamotten konnten ganz gut trocknen.
Das Knotenpunktsystem
Ich bin ja großer Fan des Knotenpunktsystems, das in den Niederlanden und in Belgien stark verbreitet ist. Damit fällt das Erstellen einer Route wirklich kinderleicht. Warum sich das in Deutschland nur so zögerlich durchsetzt, ist mir ein Rätsel. Ich habe auch versucht, dieses projekthaft für Fahrradschnellverbindungen in Kassel zu etablieren. Leider auch ohne sonderlichen Erfolg…Anscheinend geht man in Deutschland davon aus, dass jeder die Orte und Städte kennt, die auf dem geplanten Weg liegen. Und auch diejenigen, die dann unterwegs auf den Hinweisschildern stehen. Die aber mit dem eigentlichen Ziel rein gar nix zu tun haben, sich bezüglich ihrer Lage auch überhaupt nicht in der Himmelsrichtung zuordnen lassen….aber egal…muss ich ja nicht verstehen.
Unten ein Beispiel für das Knotenpunktsystem. Mein Standort ist mit einem roten Bepperl markiert (38). Möchte eich nun auf schnellstem Weg nach Diever, muss ich mir nur die Zahlen merken: 53, 67, 69, 51.

Hier nun aber weitere Eindrücke von unserer Strecke.
Tag 6 von Borger bis Herzlake 102km
Vorbei ist es nun mit den wunderschönen Natur-Campingplätzen. Wir verlassen auf dieser Route die Niederlande und überqueren Nähe Meppen die Grenze zu Deutschland. Was für ein krasser Wechsel. Also nicht nur die Campingplätze sind nun dünn gesät, sondern auch die Radwege lassen plötzlich sehr zu wünschen übrig. Der Unterschied ist schon wirklich krass!
Und weil es am Ende unserer Tagesetappe weit und breit keinen Campingplatz gibt, befragen wir einfach mal 1niteTent. Und das führt glatt zum Erfolg und zu einem ruhigen Platz für die Nacht. Dummerweise werden wir am späten Nachmittag noch einmal richtig nass im Regen. Unserem Gastwirt ist das ziemlich egal, er bietet uns ein nettes Plätzchen in seinem wirklich riesigen Garten an. Sogar die Dusche und das WC dürfen wir benutzen! Das schmuck wirkende Häuschen neben unseren Zelten täuscht ein wenig über seinen inneren Zustand hinweg (ehemaliger Hühnerstall. Inzwischen komplett von Spinnen bevölkert…allenfalls ein Regenschutz, aber keine Bleibe für die Nacht).
Tag 7 Von Herzlake bis Nähe Bad Iburg 102km
Diese Etappe hat uns hinsichtlich eines Übernachtungsplatzes etwas Kopfzerbrechen bereitet. Wir wußten, dass wir Osnabrück auf jeden Fall erreichen. Dort gibt es aber nur im Osten der Stadt einen Campingplatz. Irgendwie sagte uns dieser nicht zu, passte auch nicht so recht in unserer Streckenplanung. Wir wollten unser Glück weiter südlich versuchen. Hier war es plötzlich schwierig überhaupt unter zu kommen. Himmelfahrt ließ grüßen und außerdem eine Großveranstaltung (Gartenfestival?), die zu einer totalen Überfüllung der knapp vorhandenen Ressourcen führte. Auf den letzten Drücker bekamen wir jedoch vom Eurocamp in der Nähe von Bad Iburg eine Zusage. Mit der Entschuldigung, dass bis auf den letzten Platz alles gefüllt sei. Für unsere drei kleinen Zelte war am Ende jedenfalls mehr als genug Platz vorhanden.
Campingplatz: https://www.camping-lienen.de
Tag 8 Von Bad Iburg bis Hörster Bruch. Wir sind im Teutoburger Wald. Nur 74km, aber plötzlich auch 840Höhenmeter
Flaches Land liegt hinter uns. Gestern haben wir schon die Hügel des Teutoburger Waldes zu spüren bekommen. Ganz ungewohnt, nach sieben Tagen ohne großartig Höhenmeter. Aber es macht Spaß, der Wald ist klasse. Es liegt Gewitterstimmung in der Luft…
Campingplatz: https://www.campingplatz-quellental.net
Tag 9 Das Hermannsdenkmal, die ExternSteine und eine Waldhütte hoch über der Weser, 81km, 1200 Höhenmeter (fast alpin)
Sicher, wir hätten auch nach Hause fahren können. Aber wir wollten unsere letzte Übernachtung noch einmal im Wald verbringen. am nächsten Morgen dann gemütlich in Bad Karlshafen frühstücken und unsere Reise langsam ausklingen lassen. Das war schön so.
Zum guten Schluss
Das Frühstück in Bad Karlshafen und unsere Fahrt bis Hümme. Hier besteigen wir die Regiotram und überbrücken den etwas langweiligeren Teil bis nach Hause. Dort wird man erwartet 🙂
Was bleibt?
Es war eine super schöne Tour! Unterwegs hat auch alles irgendwie immer gepasst. Wir hatten keine Pannen (ok, Bremsbeläge mal wechseln) und immer Glück mit unsere Übernachtungsplätzen. Es gab nicht einen Spot, den wir bei einer Wiederholung aussparen würden. Es ist ein tolles Gefühl und auch sehr praktisch, mit der Bahn eine Tour zu starten und aus eigener Kraft wieder bis zur Haustür zu fahren. Was waren die schönsten Momente der Tour? Das ist echt schwer zu sagen. Es war einfach alles gelungen, jeder Tag super!
Dirk hat auch diesmal wieder mit dem Smartphone ein Video aufgenommen und zur Verfügung gestellt:
Tolle Tour. Glückwunsch.
Ich mag das zweite Foto (Im Nationalpark Hoge Veluwee). Ganz stark.
Dankeschön 😀