Ein Interview mit Julian Klose

Es ist eine Premiere in meinem Blog. Das erste Interview mit einer Persönlichkeit aus dem Kreise der Ultra-Bikepacking-Racer. Der Zufall wollte es, dass wir zusammentreffen. Den Grundstein für unser Kennenlernen legte der Gravel-Club „La Foret“ der Zweiradgemeinschaft Kassel. Bevor ich zu den persönlichen Fragen komme, möchte ich die bisherige „Renn-Karriere“ von Julian Klose kurz beschreiben.

Interview und Text: Mario Schön, Fotos: Julian Klose

Julian stieg 2018 mit einer spontanen Idee in die Welt der Selbstversorger-Bikepackingrennen ein. In jenem Jahr feierte das „Silk-Road-Mountain-Race“ seine Premiere, dass mit seinem Konzept eine große Faszination und Anziehungskraft auf ihn ausübte. Eine Rundfahrt über 1.720 Kilometer mit 26.000 Höhenmetern durch die weitgehend unberührte Natur des Tianshan Gebirges in Kirgisistan auf den Spuren der Seidenstraße. Das ganze ohne irgendeine Unterstützung, ohne definierte Tagesetappen. Über die Erlebnisse auf dieser Tour gibt es einen sehr spannenden Bericht von Julian, der hier (link) nachgelesen werden kann.

Inzwischen ganz offensichtlich völlig vom Bikepacking-Virus erfasst, folgte in 2021 ein Start beim „Race through Poland„.


Mit diesem Event einzusteigen finde ich persönlich schon ziemlich beeindruckend, denn es gehört mit zu den schwierigsten Rennen dieser Art. Es folgte in 2019 die Teilnahme am „Marokko-Bike-Adventure“ (2.450km Extension Route, über 32.000Hm) bei dem Julian von neun Startern als 3. das Ziel erreichte. Fünf Fahrer sind unterwegs aus dem Rennen ausgestiegen!


Inzwischen ganz offensichtlich völlig vom Bikepacking-Virus erfasst, folgte in 2021 ein Start beim „Race through Poland„. Dieses Rennen zeichnet sich dadurch aus, dass es vom Veranstalter einen Start- und Zielpunkt mit mehreren Checkpoints gibt, die in einer vorgeschriebenen Reihenfolge anzufahren sind. Dazwischen ist die Streckenwahl dem Teilnehmer freigestellt. Dieser Modus macht die Online-Verfolgung zu Hause übrigens super spannend (Dotwatching), weil nicht unbedingt nur die besten Beine darüber entscheiden, wer als erstes im Ziel ankommt, sondern auch die Wahl der Strecke eine gewichtige Rolle spielt. Julian benötigte nur 4 Tage und 15 Stunden und kam als 14. des gesamten Feldes ins Ziel.

Als Rennvorbereitung und Qualifikation für Paris-Brest-Paris erledigte Julian die Brevet-Serie (200-300-400-600 km)


In 2022 stand schließlich, nach einer Corona-Pause, das Trans-Continental-Race auf Julians ToDo-Liste. Es ist DAS legendäre Bikepackingrennen durch Europa, das in 2013 von Mike Hall aus der Taufe gehoben wurde und die Teilnehmer quer durch Europa führt. Das Konzept sieht auch die persönliche Streckenwahl zwischen Checkpoints, in Verbindung mit zu durchfahrenden „Parkouren“, vor. Julian konnte bei seiner Premiere einen 42. Platz einfahren! Als Vorbereitung für das TCR nutzte Julian ein 600er Brevet (Audax-Club) in Hamburg.
2023 standen gleich mehrere Langstrecken an:
Als Rennvorbereitung und Qualifikation für Paris-Brest-Paris erledigte Julian die Brevet-Serie (200-300-400-600 km) des legendären Klassikers – ohne die niemand zu dieser Tour zugelassen wird. Es folgten:
Erneute Teilnahme am Race through Poland (4T, 18h, 59M, 21. Platz), Taunus-Bikepacking (1000km, 3T 16h 58M, 6.Platz), Northcape-4000 (4.400km, 12T 8H 51M, 8. Platz) und zum Ausklang, nur drei Wochen später, Paris-Brest-Paris (1.200km, 59h 47M !!) mit über 6.800 Startern…

Mir ist absolut schleierhaft, wie solch ein Streckenpensum innerhalb eines Jahres zu schaffen ist. Deshalb war ich wirklich neugierig, wieviel Aufwand Julian in seine Vorbereitung steckt und vor allem: Wie funktioniert so etwas mental? Wir beide verabreden uns für ein Gespräch in einer gemütlichen Kneipe in der Kasseler Nordstadt, um ein wenig über seine Bikepacking-Rennen zu plaudern.

Julian, hast du ein paar persönliche Informationen über dich?

Na klar, ich bin 33 Jahre alt, aufgewachsen in Wunstorf bei Hannover und seit meinem 10. Lebensjahr bei den Pfadfindern unterwegs. Als Jugendlicher habe ich dann erstmal bis zu meinem 18. Lebensjahr Fußball gespielt und dabei irgendwann schon bemerkt, dass ich in Sachen Ausdauer den Anderen öfter mal überlegen war. Im Sprint konnte ich hingegen nicht mithalten. Für meinen Zivildienst, bzw. ein freiwilliges soziales Jahr, folgte dann ein Umzug nach Cuxhaven. Dadurch habe ich leider mit dem Fußball aufhören müssen und mich auf Alternativen wie das Laufen und Radfahren konzentriert. Inzwischen wohne ich in Kassel.

Wie bist du dann zum Radfahren auf Langstrecken und zum Bikepacking gekommen?

Durch meinen Vater konnte ich schon früh erste Erfahrung auf dem Rad sammeln, denn er war selbst oft sportlich damit unterwegs. Nicht professionell, eher ambitioniert, RTF’s, Radmarathons und so etwas. Wir sind öfter Radtouren zusammen gefahren. Es folgte irgendwann mein Maschinenbau-Studium. Währenddessen blieb für’s Radfahren etwas weniger Zeit übrig, dafür bin ich dann öfter mal gelaufen oder mit Kommilitonen auch gerne geschwommen. So kam ich dann schließlich zum Triathlon, bis zur Mitteldistanz. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mit Bikepackingrennen noch relativ wenig zu tun. Meine Leidenschaft in der Natur zu sein und auch das Campen wurde allerdings schon zu Zeiten bei den Pfadfindern geweckt. Somit lag der Einstieg in Bikepackingrennen mehr oder weniger auf der Hand. Als ich dann im Internet vom Silk-Road-Mountain-Race las, war das Feuer entfacht.

Wie sehen deine Vorbereitungen für derartige Selbstversorger-Rennen aus, die sich von den üblichen Radrennen ja schon deutlich unterscheiden? (kein support durch ein Begleiter-Team, keine Verpflegungsstellen unterwegs, keine festen Übernachtungen…)

In das Silk-Road-Mountain-Race 2018 bin ich tatsächlich mehr oder weniger ohne irgendeine konkrete Vorbereitung gegangen. Ich fand es landschaftlich auch einfach mega spannend. Mein damaliges Jahres-Kilometerpensum lag so zwischen 5.000 und 6.000 Kilometern. Inzwischen habe ich das allerdings angepasst und fahre etwa 12.000 bis 16.000 Kilometern im Jahr. Bin dabei aber nicht akribisch einem Plan unterlegen und trainiere nur nach meinem Körpergefühl. Ich habe mir bislang noch nicht so viel Zeit nehmen können, einem akribischen Plan auszuarbeiten und dann auch zu verfolgen. Meine körperlichen Grenzen kenne ich mitlerweile sehr gut.

Wie strukturierst du dein „Training“ eigentlich?

Im Winter sitze ich relativ oft auf der Rolle, vor allem unter Woche. Im Frühjahr bin ich die letzten Jahre immer Brevets als Vorbereitung für die langen Strecken gefahren. Der Weserberglandbrevet 2023 von Hessisch Oldendorf (bei Hannover) über die Wartburg, den Brocken und Wurmberg zurück mit über 8.000 m war schon herausfordernd.  Die Bedingung war, den Brevet in unter 40 Stunden zu fahren. Ich wusste im Vorfeld schon, dass ich den nicht ohne unterwegs mal zu schlafen durchfahren kann. Am Ende habe ich es aber trotzdem noch zeitlich gut geschafft.

Kommen wir auf das Northcape4000 im letzten Jahr zu sprechen. Kannst du kurz etwas über den Streckenverlauf und deine Renn-Taktik sagen?

Das Northcape4000 ist letztes Jahr in Turin gestartet. Von dort ging es rauf nach Paris, durch Belgien und die Niederlande, rein nach Deutschland und weiter nach Norden. Komplett durch Dänemark, von dort wurde nach Norwegen übergesetzt, um dann durch Schweden hindurch, wieder nach Norwegen rein, das Nordkap zu erreichen.
Ab dem Start in Turin lag ich völlig unerwartet bis Deutschland unter den ersten fünf Fahrern. Das hat mich natürlich unglaublich gepusht und ich habe versucht, das Maximale aus mir rauszuholen. Da war mir klar, ein Top10-Platz ist machbar. Mit der Fähre nach Norwegen hatte ich leider etwas Pech. Die vor mir Fahrenden haben noch die Fahrt von Frederikshavn nach Oslo erwischt. Ich war etwas zu spät dran und bin dann nach etwas Überlegung und Wartezeit mit der Fähre zuerst nach Göteborg und anschließend von dort bis Oslo mit dem Zug gefahren. Das war nötig, um wieder auf den vorgegebenen Track zu gelangen. Das Warten auf die nächste direkte Fähre hätte mich 24 Stunden Zeit gekostet und meine Verfolger hätten wieder aufgeschlossen. Dummerweise hatte ich dann einen kleinen Einbruch. Meine Schaltung funktionierte nicht mehr richtig, ich konnte vorne das Kettenblatt nicht mehr wechseln und musste etwas Schrauben. Es kamen schließlich noch Plattfüße und eine geschwollene Achillessehne hinzu. Außerdem habe ich eine Schraube an den cleats verloren, wodurch mein Fuß auf dem Pedal keinen richtigen Halt mehr hatte. Das förderte wohl auch die Probleme mit der Achillessehne.

Mit welcher Ausrüstung bist du gefahren, hast du dir etwas Luxus gegönnt oder nur Minimalgepäck mitgeführt?

Ich hatte wirklich nur das Allernötigste dabei. Kein Zelt, nur einen Notfallbiwaksack, eine Isomatte in Größe S und meinen Daunenschlafsack. Auf Ersatzklamotten habe ich gänzlich verzichtet. Etwas Technik: GPS, Smartphone, Ladegerät und eine Powerbank und Verpflegung für unterwegs natürlich.

Abschließend noch ein paar Fragen zu deiner Motivation und mentalen Fitness: wie motivierst du dich unterwegs, auch in Krisenmomenten nicht aufzugeben?

Alles Übung (grinst) Da habe ich eine ganz schöne Lernkurve erfahren. Bei meinem ersten Rennen hatte ich keine Ahnung davon, wie lange die Leute durchschnittlich so im Sattel sitzen, welches Tempo gefahren wird, wie lange sie Ruhepausen einlegen und schlafen. All diese Dinge habe ich erst im Laufe der Zeit gelernt. Beim Silk Road Mountain Race habe ich mich schlafen gelegt, als es dunkel wurde. War aber zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht richtig müde und habe dadurch natürlich viel Zeit vergeudet. Inzwischen fahre ich einfach so lange, bis ich wirklich richtig müde bin, also fast vom Rad falle. Dann genügen mir aber auch drei Stunden, damit ich mich so weit regeneriere um weiterzufahren. So lange ich mein Tempo fahre, halten sich auch die muskulären Probleme in Grenzen. Krämpfe treten eigentlich nur bei extremer Hitze und damit verbundener Dehydrierung auf. Der eigene Rhythmus ist schon extrem wichtig.

Wie sieht dein Plan für dieses Jahr aus?

Es geht los mit einem Mountainbike-Rennen: Across the three (ACT5), das bedeutet 500km im Dreiländereck Deutschland, Belgien und Luxemburg. Danach folgt dann das „Race through Poland“, das führt mit dem Rennrad durch Polen, über die Slowakei bis nach Ungarn und an der ukrainischen Grenze wieder zurück nach Polen. Das Ganze wie schon erwähnt, mit Checkpoints und eigener Streckenplanung. Dem folgt das Trans Continental Race, mit Start in Roubaix und Ziel in Istanbul. Vielleicht starte ich im Herbst noch einen Brevet. Mal schauen…

Was ist dein größter Wunsch, den du dir noch erfüllen möchtest?

Das ist die „Tour divide“. Aber dafür suche ich noch das passende Bike….

Vielen Dank Julian für die Zeit und das sehr interessante Gespräch!

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One Thought to “Ein Interview mit Julian Klose”

  1. Thomas

    Krasse Touren. Respekt.

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