Unser sechster Tourentag ist mit einem Sonnenaufgang im leichten Nebel angebrochen. Ein ausgezeichnetes Frühstück bei Bertls mit extra starkem Kaffee und selbst gepflücktem Pfefferminztee bereitet uns auf die bevorstehende Etappe auf dem Vulkanring vor.
Weil Martin direkt darauf geachtet hat, dass unsere Übernachtungen so dicht als möglich an der Strecke liegen, haben wir’s auch nicht weit, bis wir die Wegbezeichnungen finden und die Spur von gestern wieder aufnehmen. Herbstlich frisch ist’s am Morgen.
Am Körper befindet sich so ziemlich alles, was der Rucksack an wärmenden Klamotten hergibt. Es dauert aber nicht lange, bis uns warm wird, denn der Weg geht im Rhytmus weiter, wie er gestern endete: Schotterweg, Kreuzung und aufwärts Abbiegen auf Wiesen-Acker-Randwege. Heute zeigen sich aber tatsächlich auch mal Spuren vom angepriesenen vulkanischen Ursprung des Voglesberges. Richtig fette und bemoste Steinkolosse pflastern plötzlich den Wald und bilden zu umzirkelnde Hindernisse. Na es geht doch, das macht richtig Spaß
Weitere Trailabschnitte folgen, die diese Bezeichnung mal verdienen. Unsere Mittagspause wollen wir in Ulrichstein einlegen. Der Weg dorthin zieht sich einmal mehr ganz schön in die Länge, die vielen Buckel die wir bis dorthin zu überqueren haben, zähle ich irgendwann nicht mehr. Anscheinend hat der Vulkan die Landschaft hier ordentlich in „Falten“ gelegt, es geht gefühlt immer senkrecht nach oben. Natürlich obendrein auch noch auf meinen Lieblingswegen: Wiesen-Acker-Randwege. Allmählich beginne ich sie zu hassen! Nicht nur einmal muss ich schieben, meine Teamkollegen versuchen immer tapfer, alles zu treten. Geraten aber auch manchmal an ihre Grenzen und sind doch nicht so viel schneller, als ich zu Fuß. (Aber kein Wunder, ich war auch in der Schule beim Super-Bergaufschieber Thomas. Der hat mich mit seinem Sauseschritt aufwärts in den Alpen mehr als einmal zur Verzweifelung gebracht 🙂 )
Der Vogelsberg-Vulkanring führt selbstverständlich über den Schlossberg von Ulrichstein, der weit und breit mit 614 Metern auch die höchste Erhebung markiert. Um da rauf zu kommen, müssen wir fast auf allen Vieren kraxeln. Damit hat die Stadt (die ja meiner Ansicht nach eigentlich nur ein Dorf ist) tatsächlich die offizielle Auszeichnung als Hessens höchstgelegene Stadt eingefangen! Leider genießen wir oben ein wenig zu lange die Aussicht, denn als wir um kurz nach 13 Uhr eine der wenigen Lokalitäten aufsuchen wollen, ist alles geschlossen. MITTAGSPAUSE! Auch gut gemeinte Ratschläge von Anwohnern, wir sollten ins Bistro des Museums fahren, schlagen fehl. Das Museum ist zwar offen, zu Essen gibt es natürlich nichts. „Bei mir könnt ihr nur gucken“ sagt die Museumsdame schmunzelnd. Aufgrund des steigenden Hungergefühls leicht gereizt, drehen wir eine volle Runde durch die komplett geschlossene Stadt. Irgend jemand gibt uns schließlich den rettenden Hinweis auf einen Lebensmittelmarkt, der garantiert geöffnet habe.
Yeahh, gerettet, nur gefunden werden muss er noch. Auf unsere ersten Runde war davon jedenfalls nichts zu sehen. Am Ortseingang werden wir dann aber doch fündig und plündern die kleine Bäckertheke des Nahkaufs.
Gut, dass wir hier noch ein klein wenig übrig lassen, denn während wir (nach dem Süßkram) die Bratenbrötchen aus der Fleischerabteilung verzehren, hat auch unser Team X diesen Verpflegungspunkt gefunden. Freudiges Wiedersehen und gemeinsames Laben ist angesagt. Weil wir ja schon den „Nachtisch“ hatten, brechen wir ein wenig vor Team X auf, um die restliche Strecke bis Laubach in Angriff zu nehmen. Jetzt sind wir für alle Falten bestens gerüstet. Die erste nehmen wir quasi im Sprint und dann kommt die große Überraschung: Es geht nur noch abwärts, erste Schilder mit Hinweisen auf Laubach tauchen auf und es geht immer weiter talwärts. Sicher bin ich mir nicht, aber am Ende sind es bestimmt um die acht Kilometer, die wir tatsächlich nur abwärts rollen. Zwar meistens auf Schotter, aber Spaß macht es trotzdem. Die Sonne meint es auch richtig gut mit uns und strahlt vom dunkelblauen Himmel. Im Laubacher Schlosspark schießen wir noch ein paar Fotos, besuchen das Kaffee am Marktplatz und rollen dann zum zweiten Mal in den Laubacher Wald ein.
Unser X-Team ist bereits vor uns hier angekommen (Dank einer ganz kleinen aber feinen Abkürzung) und hat für uns alle die Sonnen-Terrasse erobert. Der Vogelsberg-Vulkanring ist bezwungen und jetzt steht der Abend ganz im Zeichen der ausgezeichneten Küche. Einen weiteren Höhepunkt dürfen wir genießen: Wir
bekommen unsere frisch gewaschenen Trikots von vorgestern überreicht. Genial! Damit sind wir für die nächsten beiden Tage bestens ausgestattet.
Die Tagesbilanz: 72 Kilometer und gediegene 1300 Höhenmeter. Die sich aber wirklich nach viel mehr anfühlten…..Wiesen-Acker-Randwege eben…. 😉
Tag 7, eine neue, spannende Herausforderung erwartet uns heute: Der mit einem blauen Kringel auf weißem Grund markierte „Taunus-Rhönweg“. Dieser Fernwanderweg startet bereits in Bad Nauheim, führt mitten durch Laubach und endet in Schlitz, wo wir unser nächstes Quartier gebucht haben. Der Name des Weges sagt es ja schon, wir verlassen im Laufe des Tages also den faltigen Vogelsberg und fahren in die Ausläufer der buckligen Rhön. Da uns der Weg wieder durch Ulrichstein führt, ist klar, was uns am Morgen des heutigen Tages erwartet. Das was am Vortag für den Abfahrtsrausch gesorgt hat, müssen wir uns nun in anderer Richtung wieder hochschrauben. Zwar auf einem anderen Weg, an der Steigung ändert das aber nichts. Am Jägerhaus, Nord-Westlich von Schotten stehen wir plötzlich vor dem verschlossenem Gatter eines Tierparks. Komischerweise führt der Wanderweg mitten hindurch. Diese Vogelsberger, einfach seltsam! Das ist uns am frühen Morgen aber dann egal. Unserer Gruppe schenkt man am Kassenhaus auch keinerlei Beachtung, auch ohne Eintritt, der Park ist ja eigentlich noch geschlossen. Von oben gibt es jedenfalls keinen Zaun, der den Zutritt verhindert. Naja, ich sach ja: Vogelsberg eben…. Ulrichstein ist schneller als gedacht erreicht. Heute kaufen wir beim Bäcker Kaffee und Kuchen, einfach nur so, weil wir’s können. Wirklich nötig haben wir ihn eigentlich noch nicht.
Gegen 12.30 Uhr rollen wir in der hübschen Kreisstadt Lauterbach ein. Direkt an der Lauter, dem Bach, nach dem die Stadt ihren Namen trägt, finden wir einen netten, kleinen Thailänder, dessen Terrasse fast frei schwebend über dem Bach hängt. Hier in der Sonne lässt es sich bestens sitzen und wir verbringen hier bestimmt eine volle Stunde bei gebratenen Nudeln, Cola und alkfreiem Hefeweizen. Auf dem anschließendem Weg in die Eisdiele treffen wir durch Zufall wieder unser Team-X, das wir im Tierpark irgendwann hinter uns gelassen haben. Unser track bietet hinter Lauterbach noch ein paar mit Brennnesseln besetzte Trails, viel über 400 Höhenmeter kommen wir bis Schlitz nicht mehr. Die Rhön zeigt sich noch von ihrer ganz zahmen Seite. Demzufolge erreichen wir Schlitz auch früher als gedacht. Schon am Ortsrand habe ich den Wegpunkt unseres Quartieres, direkt an der Straße, im Auge. Irgendetwas mit Auerhahn ist da abgespeichert. Ein solcher prangt dick und fett auf dem Schild des eben erreichten Gasthauses. Freudig verkünden wir der Wirtin die Ankunft unserer Gruppe. Die Bikes dürfen wir sogar auf der Kegelbahn des Hauses parken! Als wir alle drinnen sind, sackt plötzlich die Stimmung. Die Wirtin richtet große, fragende Augen auf uns. Sie zählt mehrer male die vor ihr stehenden Köpfe und erklärt, wir seien ja zu viel. Ihr Mann eilt ihr zur Hilfe. Gebucht sei doch nur für sechs. Verwirrung, Ratlosigkeit, fragende Blicke und dann plötzlich kommt Licht ins Dunkel: Unser eigentliches Quartier heißt „Zum Auerhahn“ und befindet sich gegenüber am Hang. Wir hingegen stehen in der Burgenschänke.
Auf dem Schild draußen am Haus prangt zwar groß und breit ein Auerhahn, aber der hat nichts mit der Lokalität zu tun. Der steht nur für’s Bier. Ähmmm, ja, ein kleiner „Fauxpas“ meinerseits. Ansonsten vertrau ich immer auf das Navi, heute habe ich nur nicht genau genug hingeschaut 😉 Wir und auch die Wirte haben ihren Spaß. Wir parken um in unser Quartier und kommen dafür zum Abendessen wieder. Sehr empfehlenswerte Küche! Ins Tagebuch wandern jedenfalls unmissverständliche 60 Kilometer inklusive 1120 überwundener Höhenmeter.
Kaum zu glauben, unser letzter Tourentag, Tag 8 ist angebrochen. Obwohl wir ja schon einen Fahrtag mehr als üblich haben. Die Königsetappe steht ins Haus: Die Reste der Rhön mit anschließender Durchfahrung des Knüllgebirges. Im Knüll haben wir schon so manche Perle Schweiß vergossen. Es gibt da solche Touren wie den „Salzweg“ oder den Knüll-Cross von Rotenburg nach Treysa. Immer im Herbst, bei regelmäßig miesem Wetter. Aber heute ist alles anders. Wir stehen voll im Saft (hüstel) und das Wetter verspricht nur Sonne. Wir wollen heute dem Borgmannweg bis Rotenburg an der Fulda folgen. Die nackten Zahlen lassen unser Team X leicht zusammenzucken. Kurzerhand wird mit Hilfe einer Wandkarte in der Pension eine rettende Alternativstrecke bis Bad Hersfeld ausbaldowert. Wechsel des Fuldaufers und dann rauf auf den X17. Ob das so eine gute Idee ist? Signe wird’s berichten 🙂
Mutig tauchen wir in den Früh-Nebel ein. Erstes größeres Ziel ist der Eisenberg, der zwar noch nicht ganz die halbe Strecke markiert, wohl aber den höchsten Punkt der Etappe (631m). Verziert wird der Gipfel vom „Borgmannturm“, der schon von weitem sichtbar ist (sofern man aus dem Nebel kommt). Doch zuvor legen wir, verursacht durch einen Plattfuß an Martins Hinterrad, in Oberaula eine kleine Zwangspause ein. Anscheinend habe die Anwohner hier richtig Mitleid mit uns: Ein Auto stoppt, der Fahrer bietet Hilfe an, vom Friedhof winkt ein Herr, ob wir frisches Wasser bräuchten. Auf unsere Rückfrage, ob das denn auch Trinkwasser sei, entgegenet er „Damit gieße ich immer meine Blumen, die vertragens gut“. OK, danke, Wasser vom Friedhof muss vielleicht wirklich nicht sein. Als wir eine ältere Dame entdecken, die vor ihrer Haustür neugierig zu uns rüber blickt, wollen wir sie um Wasser für unsere Flaschen fragen.
Doch noch bevor wir sie ansprechen können, verschließt sie dann doch lieber schnell die Tür. Fünf behelmte Biker sind anscheinend zu unheimlich 🙂 Egal, bis auf den Eisenberg schaffen wirs auch so. Der ist bestimmt bewirtschaftet. Fehlanzeige. Endlich oben dürfen wir feststellen, dass das Gebäude neben dem Turm zwar geöffnet, aber anscheinend gerade keiner zu Hause ist. Wasser finden wir aber trotzdem. Vor der Tür an der Landkarte überkommt Martin plötzlich eine Idee zur weiteren Strecke: Verlassen des Borgmannweges, weil ca. 3 Kilometer direkt auf der Straße verlaufend und stattdessen auf dem X-WEg die Krötenkuppe umrunden, um danach wieder auf den Weg zu stoßen. Kurze Beratung, Unentschlossenheit, dann machen wir’s doch. Der Spaß ist jedoch nur von kurzer Dauer. Der Trail abwärts ist ziemlich schnell erledigt und kurz vor Einmündung auf die Straße finden wir asphaltierte Waldweg vor. So richtig lohnt der (wenn auch nur kleine) Umweg also nicht. Aber wenn man schon geringfügig unter „Trailentzug“ leidet, dann nimmt man auch mal kleine Umwege in Kauf 😉
Etwas später in Aua legen wir im Hotel eine Pause ein. Wir machen große Augen, als uns hier offenbart wird, es gäbe keine Kuchen. Martin vermutet gar, man will uns absichtlich keinen geben (warum auch immer) Wenn Martin nachmittags keinen Kuchen bekommt, dann ruft das ähnliche Auswirkungen hervor, als wenn ein Diesel mit Benzin gefüttert wird. Zum Glück gibt’s einen Keks zum Kaffee und einen Riegel aus dem Rucksack, das reicht zum gütig stimmen. Ich glaube übrigens, hier erreicht uns vom X-Team die Finisher-Botschaft und Ankunft in Bad-Hersfeld. Hinter dem Hotel stemmen wir uns aufwärts, hier zeigt der Knüll seine Zähne. Heftig steil führt der Weg den Schmitteberg hinauf. Im folgenden wechselt der Weg in bekannter Manier mit stetem Auf und Ab. In jedem Fall aber sehr kurzweilig und hübschen Aussichten über die Region. Erst als wir uns kurz vor Rotenburg noch mal durch die Nesseln kämpfen müssen, wird’s eher unlustig. Unsichtbares, weil zugewachsenes, schlüfriges Längsholz ruft immer wieder Schrecksekunden hervor.
Erst als wir gegen 15.30Uhr nah am Fuldaufer fahren, kommt das Finisher-feeling auf. Obwohl jetzt so etwas wie der Gardasee, oder das Mittelmeer für die richtige Gänsehaut fehlen ;). Aber wir habens geschafft, unsere Steigetour durch die Mittelgebirgslandschaft. Zum guten Schluss also nochmal 70 Kilometer und satte 1770 Höhenmeter.
Die 8 Tage zusammengerechnet, sind das über 530 Kilometer und 10700 Höhenmeter gewesen. Es müssen also nicht immer die Alpen sein, um Höhenmeter zu sammeln!
Nach der Tour ist vor der Tour: Im Oktober steht der Miriquidi-Stoneman auf dem Plan. Das Erzgebirge mit Abstecher nach Tschechien bittet uns zur Erstbefahrung.
Mist, ich habe gehofft, meinen Teil 2 vor deinem 3.Teil hochzuladen/zu schreiben. Aber ich „musste“ ja zum Daimler-Familientag 😉
Höhö, hab dir aber viel Vorsprung gelassen 😉